Kategorie: Urteil- und Entscheidungsbesprechung

Wenn ein nicht mehr zugelassener Anwalt als Pflichtverteidiger auftritt

Der Angeklagte hätte während der gesamten Hauptverhandlung anwaltlich vertreten werden müssen, da es sich um einen Fall der notwendigen Verteidigung gemäß § 140 Abs. 1 StPO gehandelt hat. Immerhin fand die Verhandlung im ersten Rechtszug vor dem Landgericht statt und dem Angeklagten wurde ein Verbrechen zur Last gelegt. Da der Pflichtverteidiger allerdings nicht mehr als Rechtsanwalt zugelassen war, war die notwendige Verteidigung des Angeklagten nicht gewährleistet. Damit lag ein absoluter Revisionsgrund im Sinne des § 338 Nr. 5 StPO vor. Die Hauptverhandlung hatte ohne eine Person stattgefunden, deren Anwesenheit nach dem Gesetz, hier nach § 140 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StPO, vorgeschrieben war.

Geld mit Hilfe des Filialleiters aus dem Tresor eines Baumarktes entwendet – wer hat Gewahrsam an den Geldscheinen?

Examenskandidaten aufgepasst – der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in einer aktuellen Entscheidung ausführlich mit den Gewahrsamsverhältnissen an dem Geld in einem Tresor eines Baumarktes befasst. Zwar sind die Fragen um den Mitgewahrsam von Angestellten an Geld der Filiale nicht neu. Dennoch eignen sie sich immer wieder zu Prüfungszwecken. Es wird daher sicher nicht lange dauern, bis die vom BGH diskutierte Konstellation in Klausuren zum ersten oder zweiten Staatsexamen verwendet wird.

Ablehnung eines mit der Übersetzung von TKÜ-Protokollen beauftragten sachverständigen Dolmetscher

Insbesondere in größeren Verfahren ordnen die Ermittlungsbehörden zur Aufklärung von Straftaten oft die Überwachung der Telekommunikation der Betroffenen an. Werden die überwachten Gespräche nicht in deutscher Sprache geführt, wird ein Übersetzer mit der Übersetzung und Verschriftung der Gesprächsinhalte beauftragt. Die verschriftlichten Gesprächsprotokolle werden anschließend durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt. Doch was passiert, wenn die Verteidigung den Eindruck gewinnt, dass der beauftragte Übersetzer sich nicht auf die Übersetzung der Gespräche beschränkt, sondern eigene Interpretationen und Erläuterungen vorgenommen hat?

Nicht jedes Kennzeichen an einem Fahrzeug stellt eine zusammengesetzte Urkunde dar

Wer ein falsches Kennzeichen an einem Fahrzeug anbringt, erstellt eine unechte Urkunde und macht sich wegen Urkundenfälschung strafbar. Diese Annahme dürfte in vielen Fällen zutreffend sein. Aber eben nicht in allen Fällen, wie der Bundesgerichtshof (BGH) kürzlich wieder klarstellte. Es bedarf vielmehr einer genauen Prüfung, um welche Art von Kennzeichen es sich handelt und wie das Kennzeichen an dem betroffenen Fahrzeug angebracht ist.

Wann schutzwürdige Interessen des Beschuldigten einer Gewährung von Akteneinsicht für die Nebenkläger entgegenstehen

Sobald Nebenklagende einen Anwalt oder eine Anwältin beauftragt haben, dürfen sie Einsicht in die Ermittlungsakte nehmen, ohne dazu ein berechtigtes Interesse darlegen zu müssen. Die Akteneinsicht bezieht sich dem Umfang nach auf den gesamten Akteninhalt. Für Angeklagte ist das Akteinsichtsrecht der Nebenklagenden nicht besonders vorteilhaft. Schließlich können sich Nebenklagende mit Kenntnis der Akte auf ihre Aussagen in der Hauptverhandlung vorbereiten, Widersprüche zu früheren Vernehmungen ausräumen und sich ggf. mit weiteren Geschädigten abstimmen. Erst wenn überwiegende schutzwürdige Interessen des Beschuldigten oder anderer Personen entgegenstehen, darf die Akteneinsicht für Nebenklagende verweigert werden.

Gewaltsame Wegnahme eines Handys, um Daten zu löschen – keine Verurteilung wegen Raubes

Nach ständiger Rechtsprechung ist Zueignungsabsicht beim Diebstahl oder Raub gegeben, wenn der Täter im Zeitpunkt der Wegnahme die fremde Sache unter Ausschließung des Gewahrsamsinhabers körperlich oder wirtschaftlich für sich oder einen Dritten erlangt und sie der Substanz oder dem Sachwert nach seinem Vermögen oder dem eines Dritten einverleiben oder zuführen will. Verneint wird die Zueignungsabsicht hingegen in Fällen, in denen der Täter die fremde Sache nur wegnimmt, um sie zu zerstören, zu vernichten, preiszugeben, wegzuwerfen, beiseite zu schaffen oder zu beschädigen.

Schlimmer kann`s nicht werden – Verbot der Verschlechterung gilt auch für die selbstständige Einziehung von Taterträgen

Das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung ist seit dem 1. Juli 2017 in Kraft. Die Regelungen ermöglichen der Staatsanwaltschaft und den Gerichten eine umfassende Abschöpfung von Vermögen, auch wenn die Herkunft des Vermögens nicht eindeutig geklärt ist. Die Vermögensabschöpfung kann auch selbstständig erfolgen und setzt nicht zwingend ein Urteil voraus. Das ist für die Betroffenen fatal, da es faktisch zu einer Beweislastumkehr kommt. Es war daher nur eine Frage der Zeit, bis sich auch der Bundesgerichtshof mit der Auslegung und Anwendung der Regelungen zur Vermögensabschöpfung beschäftigen musste.