Kategorie: Strafprozessrecht

Ein „unter Schock“ erklärter Rechtsmittelverzicht ist wirksam

Als Strafverteidiger erlebt man nicht selten, dass Mandanten erst nach einem Urteil Rechtsrat suchen, weil sie sich ungerecht behandelt fühlen. In der Regel ist dies unproblematisch, wenn die Rechtsmittelfrist noch läuft. In diesem Fall kann Berufung oder Revision eingelegt werden, sodass sich die Gerichte erneut mit der Sache befassen müssen. Problematisch ist hingegen, wenn der Betroffene sich in der Verhandlung auf einen Rechtsmittelverzicht eingelassen hat. Denn ist ein Rechtsmittelverzicht erst einmal in der Welt, so ist es nur unter sehr strengen Voraussetzungen möglich, ihn rückgängig zu machen. So hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 9. März 2017 – 3...

BGH zur Unverwertbarkeit eines Geständnisses bei bewusster Täuschung des Beschuldigten über die Beweislage

Examenskandidaten aufgepasst! Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine Entscheidung veröffentlicht, die definitiv in einer der nächsten Examenskampagnen abgefragt wird. Denn die Entscheidung betrifft einen strafprozessualen Klassiker – die Abgrenzung zwischen kriminalistischer List und Täuschung im Rahmen der durch § 136a StPO verbotenen Vernehmungsmethoden. Der Angeklagte musste sich wegen Mordes vor dem Landgericht Frankfurt verantworten. Ihm wurde vorgeworfen, seine damalige Freundin brutal getötet zu haben, indem er ihr mit einem schweren Gegenstand mindestens neun Mal wuchtig auf den Kopf geschlagen und ihr anschließend vier Schnittverletzungen am Hals zugefügt haben soll, die zur Öffnung des Kehlkopfs führten. Die Geschädigte starb infolge des Verblutens....

Der Begriff der Täuschung im Rahmen der verbotenen Vernehmungsmethoden des § 136a StPO

Heute widmen wir uns einer Definition, die zumindest im zweiten Examen im Schlaf beherrscht werden sollte. Denn die Fallgruppen der verbotenen Vernehmungsmethoden des § 136a StPO spielen in so gut wie jeder strafrechtlichen Klausur eine Rolle. Erklärt wird der wohl am häufigsten behandelte Begriff der Täuschung. Der Wortlaut des § 136a Abs. 1 S. 1 StPO lautet wie folgt: Die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung des Beschuldigten darf nicht beeinträchtigt werden durch Misshandlung, durch Ermüdung, durch körperlichen Eingriff, durch Verabreichung von Mitteln, durch Quälerei, durch Täuschung oder durch Hypnose. Definition: Täuschung ist die bewusste Einwirkung auf das Vorstellungsbild des...

Die Nebenklage in Kurzfassung

Kürzlich erreichte uns via Strafrechtsblogger auf Facebook folgende Anfrage: Hallo Strafrechtsblogger, ich habe mal eine Frage zum Strafrecht. Ich wollte gerne wissen, was die Nebenklage für eine Bedeutung hat bzw. welche Vor- und Nachteile es gibt, wenn man als Opfer (auch Zeuge), Nebenkläger wird? Gibt es da Besonderheiten? Gruß, eine Leserin Das lässt sich fix beantworten: Das Institut der Nebenklage bietet Privatpersonen die Möglichkeit, sich einer von der Staatsanwaltschaft erhobenen öffentlichen Klage anzuschließen. Der Nebenkläger ist in der Hauptverhandlung – im Gegensatz zum Zeugen – ein echter Verfahrensbeteiligter. Daraus ergeben sich eine Vielzahl von Rechten. Das wichtigste dürfte das Anwesenheitsrecht...

Marihuana in der Mietwohnung – Mieter muss nicht immer für Wohnungsschäden nach Polizeieinsatz aufkommen

Im Zuge von strafrechtlichen Ermittlungen kommt es regelmäßig zu Wohnungsdurchsuchungen, insbesondere wenn der Verdacht auf einen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) vorliegt. Oftmals meldet sich dann die Polizei früh morgens an der Wohnung des Betroffenen und präsentiert diesem einen entsprechenden richterlichen Durchsuchungsbeschluss. Unter Umständen muss sich die Polizei aber auch mit Gewalt Zutritt zu der Wohnung verschaffen. Und dass eine solche Durchsuchung grundsätzlich ihre Spuren hinterlässt, kann man sich auch vorstellen. Doch wer muss eigentlich zahlen, wenn die Wohnung bei der Durchsuchung beschädigt wird? In Nürnberg begehrte eine Wohnungseigentümerin von ihrem (ehemaligen) Mieter Schadensersatz in Höhe von 1.570,92 €, weil...

Urteilsabsetzung kann wichtiger sein als die Durchführung einer Hauptverhandlung

Bekanntlich beschweren sich Gerichte und Staatsanwaltschaften nicht gerade darüber, dass sie zu wenig zu tun hätten. Jedes Jahr müssen eine enorme Vielzahl von größeren und kleineren Fällen bearbeitet werden, viele davon gleichzeitig. Dass es dabei hin und wieder zu Verzögerungen im geplanten Arbeitsablauf kommen kann, haben wir bereits an dieser Stelle gezeigt. Trotz aller Schwierigkeiten ist es unerlässlich, bei der Bearbeitung der einzelnen Sachen die jeweils vorgegebenen Fristen einzuhalten. Eine wichtige Frist für das Gericht ist die sogenannte Urteilsabsetzungsfrist gemäß § 275 Abs. 1 StPO. Demnach muss das Urteil mit den Gründen unverzüglich, spätestens aber fünf Wochen nach seiner Verkündung zu...

BGH spricht Klartext – Beweisverwertungsverbot bei schwerem Verstoß gegen den Richtervorbehalt

Die Fälle, in denen der Bundesgerichtshof (BGH) ein Beweisverwertungsverbot angenommen hat, weil die Polizei sich vor einer Durchsuchung keine richterliche Anordnung eingeholt hat, sind rar gesät. Es kam doch eher das Gefühl auf, der BGH versuche sich mit unzähligen Abwägungstheorien und hypothetischen Ersatzeingriffen um ein Beweisverwertungsverbot zu drücken. Dieses Mal aber haben wir unsere Rechnung ohne den zweiten Senat gemacht, der in seinem Beschluss 21. April 2016 – 2 StR 394/15 Klartext gesprochen und ein Beweisverwertungsverbot wegen Umgehung des Richtervorbehalts angenommen hat. Ausgangspunkt der Entscheidung war die Durchsuchung des Autos des Angeklagten, für den die Polizei sich keine richterliche Anordnung...