Kategorie: Strafprozessrecht

„Glauben Sie tatsächlich den Quatsch, den Sie hier erzählen?“ – Ablehnung eines Schöffen wegen Befangenheit

Ein Ablehnungsgesuch wegen der Besorgnis der Befangenheit ist nach § 24 StPO begründet, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Nach § 31 StPO gilt dieser Vorschrift auch für Schöffen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH liegt ein solcher Grund vor, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die die erforderliche Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit störend beeinflussen kann. Maßstab für die Beurteilung ist dabei ein vernünftiger bzw. ein verständiger Angeklagter.

AG Potsdam oder AG Tiergarten? BGH bestimmt Gerichtsstand im Jugendstrafverfahren

Über Zuständigkeitsfragen wird regelmäßig gestritten. Dabei werden von der betroffenen Stelle oftmals zahlreiche Argumente vorgetragen, weshalb sie selbst gerade nicht zuständig sein sollte. Nicht zuletzt deshalb stellt man sich die Prüfung der eigenen Zuständigkeit einer staatlichen Stelle scherzhaft als Frage nach dem „Warum ich?“ vor. Auch die Jugendrichter des Amtsgerichts Potsdam und des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin waren sich nicht sicher, wer für das betreffende Jugendstrafverfahren zuständig sein sollte. Schließlich musste der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) den Gerichtsstand bestimmen, Beschluss vom 02. November 2017 – 2 ARs 372/17 und 2 ARs 224/17. Diese Entscheidung wirft gleich zwei Fragen auf. Wieso...

Gesetzesänderung: Erscheinungspflicht für Zeugen bei der Polizei

In diesem Jahr wurde die Strafprozessordnung (StPO) an zahlreichen Stellen verändert. Von den Änderungen betroffen sind auch diejenigen, die als Zeugen in einem Strafverfahren beteiligt sind. Denn seit August 2017 sind Zeugen verpflichtet, zu einer polizeilichen Vernehmung zu erscheinen. Bisher waren Zeugen lediglich verpflichtet, eine Ladung der Staatsanwaltschaft und des Gerichts zur Vernehmung zu befolgen. Eine Ladung zu einer polizeilichen Vernehmung konnten Zeugen hingegen ohne Folgen ignorieren. Das führte in wenigen Einzelfällen dazu, dass bei der Polizei nicht erschienene Zeugen von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht vernommen werden mussten, wenn es bereits im Ermittlungsverfahren auf ihre Aussage ankam. Mit der...

Kammergericht entscheidet über abwegige Begründungen der Fluchtgefahr

Will die Staatsanwaltschaft den Erlass eines Haftbefehls durch das Gericht herbeiführen, so beruft sie sich in den meisten Fällen auf den Haftgrund der Fluchtgefahr. Immer wieder wird der Haftgrund allerdings zu vorschnell und mit völlig fehlerhaften Erwägungen angenommen. Gerichtliche Entscheidungen, in denen die Annahme der Fluchtgefahr beanstandet wurde, gibt es viele. Ein aktueller Beschluss des Kammergerichtes vom 01. August 2017 – 4 Ws 96/17 – 161 AR 155/17 zeigt, dass in Sachen Fluchtgefahr noch längst nicht über alle abwegigen Begründungen entschieden worden ist. Zur Vorgeschichte: Mit seinem Beschluss musste das Kammergericht über eine Beschwerde des Angeklagten gegen einen Haftfortdauerbeschluss des...

Eisenberg: Spezialkommentar zum Beweisrecht der StPO in 10. Auflage erschienen

Soeben ist der Spezialkommentar zum Beweisrecht der StPO von Prof. em. Ulrich Eisenberg in der 10. Auflage erschienen. Wir haben einen Blick hineingeworfen. Eisenberg stellt auf 1.324 Seiten das Beweismittelrecht der Strafprozessordnung in der für den Praktiker erforderlichen Tiefe dar. Das als (Spezial)“Kommentar“ betitelte Werk ist ein gelungener Zwitter – irgendwo zwischen Großkommentierung, Lehrbuch, Praxisblick und kurzkommentarähnlicher Fundstellensammlung. Wir sind fast sicher, der Verlag hätte den Titel „Handbuch“ verwendet, wenn Handbücher nicht regelmäßig – und teilweise zurecht – solche Ladenhüter wären. Die Darstellung Eisenbergs überzeugt bereits durch die gewählte Struktur, an der sich in der Neuauflage auch nichts geändert hat:...

Auch nach einer Teileinstellung muss dem Angeklagten das letzte Wort gewährt werden

Die Gewährung des letzten Wortes kann für den Angeklagten von großer Bedeutung sein. Denn hier erhält er unmittelbar vor der Entscheidung des Gerichts noch einmal die Möglichkeit, auf das Ergebnis des Urteils einzuwirken. Wird dem Angeklagten das letzte Wort nicht gewährt, so muss das Urteil im Wege der Revision in aller Regel aufgehoben werden. Obwohl die Pflicht zur Gewährung des letzten Wortes jedem Gericht bekannt ist, werden hier immer wieder Fehler gemacht, wie auch eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 11. Mai 2017 – 1 StR 35/17 zeigt. In dem vom BGH zu entscheidenden Fall musste sich der Angeklagte...

Fehlender interner Geschäftsverteilungsplan einer Strafkammer – Bundesgerichtshof hebt Urteil auf

Geschäftsverteilunspläne sind ein Muss für jedes Gericht. Aber auch innerhalb der einzelnen Kammern ist es unerlässlich, dass bereits vor Eingang der Klage feststeht, welcher Richter für den Fall zuständig ist. Dies wird durch das grundrechtlich geschützte Recht auf den gesetzlichen Richter gewährleistet. Wird es verletzt, liegt ein absoluter Revisionsgrund vor, der zur Aufhebung des Urteils führt. So hob der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 8. Februar 2017 – 1 StR 493/16 ein Urteil des Landgerichts München wegen Verstoßes gegen den gesetzlichen Richter auf. Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts hatte versäumt, einen Geschäftsverteilungsplan schriftlich zu beschließen. Stattdessen war die Kammer mündlich übereingekommen, den...