Kategorie: Urteil- und Entscheidungsbesprechung

„Ich fahre schwarz“ – eindeutig und doch strafbar.

Es ist eine weit verbreitete Annahme, man würde sich nicht wegen Beförderungserschleichung (Schwarzfahren) strafbar machen, wenn man nur deutlich genug darauf hinweist, kein Ticket zu haben. Manche hängen sich dafür ein Schild um, andere tragen eine Mütze, auf der geschrieben steht „Ich fahre schwarz“. Diese Idee hatte auch ein Mann, der mit einem ICE der Deutschen Bahn schwarzgefahren ist. Sein Plan ging jedoch nicht auf. Das OLG Köln hat am 28. September 2015 (III-1 RVs 118/15) die Verurteilung wegen Erschleichen von Leistungen gem. § 265a StGB bestätigt. Ausschlaggebend war unter anderem, dass die Mitarbeiter der Bahn den Schriftzug „Ich fahre...

Wann stellen Nacktbilder kinderpornographische Schriften im Sinne des § 184b StGB dar?

Seit 2008 können auch sogenannte Posingbilder kinderpornographische Schriften im Sinne des § 184b StGB darstellen. Jedoch erfüllt nicht jedes Bild, auf dem ein Kind nackt in sexualbetonter Körperhaltung zu sehen ist, den Tatbestand des § 184b StGB. In einem Beschluss vom 03.12.2014 (4 StR 342/14) hat sich der BGH zu den Voraussetzungen für strafbare Posingbilder geäußert. Zuvor hatte das Landgericht Essen einen Mann wegen Besitzverschaffens von kinderpornographischen Schriften gem. § 184b StGB verurteilt, weil er Bilder von einem siebenjährigen Kind in einem Planschbecken machte und später versendete. Auf den Bildern war auch das Geschlechtsteil des nackten Kindes vollständig zu sehen....

Unwirksame Zustellung eines Strafbefehls bei fehlender Übersetzung

Der Strafbefehl soll der Justiz dazu dienen, leichte Kriminalität durch ein vereinfachtes Verfahren besser und schneller verurteilen zu können. Er ergeht schriftlich und ohne mündliche Verhandlung. Auf diese Weise sollen Gerichte entlastet und Kosten gespart werden. Da aber auch der Staatsanwaltschaft und den Gerichten Fehler unterlaufen, sollte ein Strafbefehl keineswegs schicksalhaft hingenommen werden. Vielmehr rate ich meinen Mandanten immer wieder, auf einen Strafbefehl sofort zu reagieren und so schnell wie möglich Einspruch einzulegen. Gemäß § 410 Abs. 1 StPO gilt hierfür eine Frist von zwei Wochen ab der Zustellung des Strafbefehls. Diese Frist beginnt jedoch nur zu laufen, wenn der...

Handyverbot für das Gericht – Ablehnung einer Richterin wegen Befangenheit

Jetzt ist auch die Justiz endgültig im Zeitalter der Mobiltelefone und der damit einhergehenden ständigen Erreichbarkeit angekommen. Diese ständige Erreichbarkeit birgt die Gefahr mangelnder Aufmerksamkeit. Schließlich kennt jeder die Situation, in der man im Kampf um die Aufmerksamkeit des Gegenübers mit dessen Mobiltelefon konkurrieren muss. Anders sollte das natürlich vor Gericht sein. Denn hier sollte man erwarten können, dass sich die erkennenden Richter und Richterinnen mit der Sache und nicht mit ihrem Handy befassen. Dass es manchmal anders ist, zeigte sich in einer Verhandlung vor dem Landgericht Frankfurt am Main. Hier konzentrierte sich die beisitzende Richterin nicht etwa auf das...

BVerfG hebt Kammergerichtsbeschluss auf: Entschädigung für menschenunwürdige Haftbedingungen

Freunde von uns haben in ihrer Wohnung eine kleine Abstellkammer von gut 5 qm Größe mit einem kleinen Fenster. Wir nennen diesen Raum zärtlich „Erasmus-Kammer“, weil wir annehmen, dass man ihn angesichts des angespannten Berliner Wohnungsmarktes für einen nicht allzu schmalen Taler an Erasmus-Studenten vermieten könnte. Unsere Freunde machen das natürlich nicht, weil sie der Meinung sind, dass man auf gut 5 Quadratmetern nicht menschenwürdig leben kann. Die Berliner Justizverwaltung sah das bekanntlich bis vor kurzem anders. Es bedurfte daher einer Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichtshofs um festzustellen, dass die mehrmonatige Unterbringung in einer Einzelzelle von 5,25 qm ohne abgetrennte Toilette...

Untersuchungshaft seit 5 Jahren und 9 Monaten – Aufhebung des Haftbefehls wegen überlanger Verfahrensdauer

Die Mühlen der Justiz mahlen langsam. Das dürfte wohl keinem von uns neu sein. Beim Lesen einer Entscheidung des Oberlandesgerichtes Köln bekommt dieses Sprichwort allerdings eine ganz andere Dimension. Denn bei einer andauernden Untersuchungshaft von etwa 5 Jahren und 9 Monaten kann von einem langsamen Mahlen der Justizmühlen keine Rede mehr sein. Vielmehr drängt sich hier nur noch der Begriff der überlangen Verfahrensdauer auf. Glücklicherweise hat das OLG Köln nun Gerechtigkeit walten lassen und den Haftbefehl gegen den Angeklagten aufgehoben. Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen? Das Verfahren begann für den Angeklagten am 05.08.2009, als er von der...

Gefährdung von Laib und Leben – Schnittbrot als Tatmittel für die Körperverletzung

So mancher Strafrichter am Amtsgericht Tiergarten wird mehr über zweckentfremdete Lebensmittel erzählen können als ein Fantasy-Autor. Im Juli 2015 ging man der Frage nach, inwiefern Rotwein als Tatmittel für eine (versuchte) Sachbeschädigung in Betracht kommt. Doch bereits im März 2014 entschied das Amtsgericht Tiergarten über einen ähnlich köstlichen Fall – Körperverletzung, begangen mit Schnittbrot. Der Angeklagte saß mit einem Kumpel vor einem Supermarkt und trank Alkohol. Ein anderer Mann bettelte vor dem Eingang. Als der spätere Geschädigte um Geld gebeten wurde, verneinte er zwar die Geldspende, kaufte dem Bettelnden aber ein Schnittbrot. Der Angeklagte hatte dies beobachtet und begann den...