Kategorie: Urteil- und Entscheidungsbesprechung

Wunderheiler begeht keinen Betrug

Die Schulmedizin ist schon lange nicht mehr die einzige Möglichkeit, Krankheiten zu behandeln. Nicht jeder will gleich zu starken Tabletten oder einem Antibiotikum greifen. Deshalb findet die Alternativmedizin zunehmend ihren Platz in unserer Gesellschaft. Ob Homöopathie, Akupunktur oder Klangtherapie, vieles wird ausprobiert. Während viele Heilpraktiken mittlerweile anerkannt sind, gibt es durchaus noch Nischen, die nicht jeder kennt und an die schon gar nicht jeder glaubt. Mit einem eher außergewöhnlichen Fall rund um einem sogenannten Wunderheiler hatte sich nun auch das Amtsgericht Gießen zu befassen. Der Angeklagte hatte in insgesamt 58 Fällen kranke Personen behandelt. Die Patienten waren durch Zeitungsanzeigen auf...

Unterbringung von Abschiebehäftlingen auf dem Gelände einer gewöhnlichen Haftanstalt unzulässig

Aus einer Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 25.07.2014 – Nr. 119/2014 geht hervor, dass die Praxis des Landes Nordrhein-Westfalen, von der Abschiebehaft betroffene Personen auf dem Gelände einer gewöhnlichen Haftanstalt unterzubringen, unzulässig ist. Nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der sog. Rückführungsrichtlinie (2008/115/EG) muss die Haft, die der Sicherung einer Ab- oder Zurückschiebung von Ausländern dient, in speziellen Hafteinrichtungen vollzogen werden. Eine Unterbringung in gewöhnlichen Haftanstalten ist nach dieser Richtlinie nur möglich, wenn die Betroffenen gesondert von den gewöhnlichen Strafgefangenen untergebracht werden. Eine solche Unterbringung ist allerdings nur für den Fall zugelassen, dass in einem Mitgliedstaat spezielle Hafteinrichtungen nicht...

Ich bring‘ euch alle um! Versuchte Nötigung vs. Bedrohung

Ein Gastbeitrag von Cynthia Lange, Universität Potsdam: Kündigt der Täter im Rahmen eines gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens den Beamten an, sie und alle am Verfahren beteiligten Personen umzubringen, um auf das Ermittlungsverfahren Einfluss zu nehmen und die Beamten zumindest zeitweise von weiteren Ermittlungen abzuhalten, ist er wegen versuchter Nötigung nach §§ 240, 22, 23 StGB strafbar. Die mitverwirklichte Bedrohung nach § 241 StGB tritt hinter dem Versuch der Nötigung zurück. In seiner Entscheidung vom 8. April 2014 (BGH 1 StR 126/14) befasste sich der BGH mit dem Konkurrenzverhältnis von versuchter Nötigung und Bedrohung auf Tatbestands- sowie Rechtsfolgenseite. In dem der Entscheidung...

Ein unmittelbares Ansetzen zum Tötungsversuch kann schon vorliegen, wenn sich der Täter seines Opfers mit Tötungsabsicht bemächtigt, auch wenn die eigentliche Tötungshandlung noch über einen längeren Zeitraum hinausgeschoben werden soll.

In seinem Urteil vom 20.4.2014 – 3 StR 424/13 entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass ein unmittelbares Ansetzen zur Begehung eines das Mordmerkmal der Grausamkeit erfüllenden Tötungsdelikts auch dann schon vorliegen kann, wenn der Täter das Opfer in Tötungsabsicht in seine Gewalt bringt und dieses vor der finalen Tötungshandlung über einen längeren Zeitraum quälen will. In dem zu verhandelnden Fall hatte der Angeklagte die Geschädigte nach einem Streitgespräch daran gehindert, seine Wohnung zu verlassen und sodann beschlossen, sie durch anhaltendes Würgen zu quälen, bevor er sie letztendlich töten wollte. Er würgte sie vielzählige Male und lockerte dann seinen Griff, um die...

Mangelnde Einsicht = schärfere Strafe?

Die gesellschaftliche Wunschvorstellung, dass verurteilte Straftäter ihre Taten einsehen und diese bereuen, spiegelt keinesfalls den Alltag im Gerichtssaal wider. Trotzdem darf es nicht zum Nachteil eines Angeklagten gewertet werden, wenn er die Tat an sich leugnet und die nötige Einsicht vermissen lässt. Dies betonte der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Entscheidung vom 29.1.2014 – 1 StR 589/13 und hob damit einen Strafausspruch des Landgerichts Augsburg auf. Das Landgericht hatte die Angeklagte wegen schweren Raubes mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihr strafschärfend angelastet, dass sie die Einsicht vermissen lasse, den entscheidenden Tipp für...

Pflicht zur unverzüglichen Löschung aufgezeichneter Telefonate zwischen Verteidigern und Beschuldigten, auch wenn diese zunächst der Anbahnung eines Mandatsverhältnisses dienen

Ein Beschuldigter, der einen Rechtsanwalt aufsucht, muss sich darauf verlassen können, dass Gespräche mit diesem vertraulich behandelt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob nach dem ersten Kontakt ein Mandatsverhältnis entsteht oder nicht, betonte nun der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Entscheidung vom 18.2.2014 – StB 8/13. In dem zu verhandelnden Fall wurde gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung geführt, in dessen Rahmen die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation des Beschuldigten angeordnet wurde. Bei der Durchführung der Anordnung wurden unter anderem zwei Anrufe des Rechtsanwalts des Beschuldigten aufgezeichnet. Inhalt der Telefonate war das Angebot...

Tödlicher Unfall auf der Autobahn – Strafbarkeit des Unfallverursachers wegen fahrlässiger Tötung?

Besprechung der Entscheidung 7 Qs 138/13 – 9.9.2013 vom Landgericht Gießen Nicht nach jedem Unfall im Straßenverkehr, bei dem ein Mensch tödlich verunglückt, muss sich der Unfallverursacher Sorgen darüber machen, bald wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht zu stehen. Eine Grundvoraussetzung ist zunächst, dass ihm überhaupt ein sorgfaltswidriges Verhalten, wie beispielsweise zu schnelles Fahren oder das Nichtsetzen des Blinkers, vorgeworfen werden kann. Denn derjenige, der vorschriftsgemäß fährt, soll zumindest strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden. Gleiches gilt, wenn der Unfall zwar aufgrund einer sorgfaltswidrigen Fahrweise verursacht wurde, er aber auch bei vorschriftsgemäßem Verhalten nicht zu vermeiden gewesen wäre. Juristen nennen diesen...