Autor: Rechtsanwalt Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht - Berlin-Kreuzberg

Das Merkmal des Im-Stich-Lassens bei der Aussetzung

Nach längerer Pause melden wir uns endlich mit unserer Definitionsreihe zurück. Thema dieses Beitrages ist die Aussetzung nach § 221 StGB, die eine nicht zu unterschätzende Rolle in strafrechtlichen Klausuren spielt. Denn in allen Fällen, in denen der Beschuldigte sich vom Handlungsort entfernt und eine verletzte Person zurücklässt oder schlicht eine Hilfeleistung unterlässt, ist kurz an die Aussetzung in Form des Im-Stich-Lassens eines hilflosen Menschen zu denken. Der Wortlaut des § 221 Abs. 1 Nr. 2 StGB lautet: Wer einen Menschen in einer hilflosen Lage im Stich läßt, obwohl er ihn in seiner Obhut hat oder ihm sonst beizustehen verpflichtet...

Neues vom BGH: Die Vernehmung eines Zeugen durch den Richter außerhalb des Sitzungssaales ist auch dann nicht zulässig, wenn sie audiovisuell übertragen wird

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem Beschluss vom 20. September 2016 – 3 StR 84/16 eine spektakuläre Entscheidung getroffen, an der sich künftige audiovisuelle Vernehmungen messen lassen müssen. Denn der BGH erklärte eine Vernehmung für unzulässig, in der die Zeugin von dem Richter in einem separaten Raum vernommen und dies audiovisuell in den Sitzungssaal übertragen worden ist. Die Folge: Ein Urteil des Landgerichts Lüneburg, durch das der Angeklagte wegen Mordes in zwei Fällen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und sogar die besondere Schwere der Schuld bejaht wurde, musste aufgehoben werden. Was passiert ist: Dem Angeklagten, einem Kurden jesidischen Glaubens, wurde...

Der Klassiker in 64. Auflage – Fischer Strafgesetzbuch 2017 erschienen

Die Marketing-Experten des Beck-Verlags hatten eines Tages die Idee, die beigen sog. Kurzkommentare (der Reihentitel leitet bekanntlich fehl, der Fischer hat bspw. 2.723 Seiten) mit einer leuchtend roten Bauchbinde zu verkaufen, auf der die wichtigsten eingepflegten Gesetzesänderungen notiert sind, damit dem Inhaber der Vor(vor)auflage klar werde, dass sich das angepriesene Werk deutlich von dem unterscheidet, das er bereits sein Eigen nennt. Packt man aber den Kommentar aus und entsorgt die Bauchbinde, verhindern häufig nur die Jahreszahl und die Auflagennummer, dass der Grund für den Erwerb der Neuauflage nicht allzu rasch in Vergessenheit gerät. In Bereichen, in denen der Gesetzgeber nicht...

Ein Geständnis hat nicht zwingend strafmildernde Auswirkungen

Im Normalfall wirkt sich ein Geständnis des Angeklagten zu seinen Gunsten aus. Denn wenn keine Zweifel an der Wahrheit des Geständnisses bestehen, muss die Beweisaufnahme weniger umfangreich geführt werden. Ein weiterer Grund für die Strafmilderung ist, dass dem Geschädigten gegebenenfalls eine Aussage in der Hauptverhandlung erspart werden kann. Vor allem in Fällen, in denen sexueller Missbrauch im Raum steht, ist der Verzicht auf eine Gegenüberstellung im Strafprozess für alle Beteiligten eine Erleichterung. Ein Geständnis bedeutet für den Angeklagten jedoch nicht automatisch, dass er mit einer Strafmilderung rechnen kann. Dies zeigt eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 19. Oktober 2016...

Vorfristiges „Weihnachtsgeschenk“: Bundeskabinett will Fahrverbot als Nebenstrafe für alle Straftaten einführen

Gestern Abend beschloss das Bundeskabinett laut Pressemitteilung des BMJV, dass künftig bei allen Straftaten ein Fahrverbot als Nebenstrafe verhängt werden kann. Heiko Maas lässt sich folgendermaßen zitieren: Die Öffnung des Fahrverbots für alle Straftaten erweitert die Möglichkeiten strafrechtlicher Sanktionen. Dadurch geben wir den Strafgerichten ein zusätzliches Mittel an die Hand, um zielgenau, spürbar und schuldangemessen auf den Täter einzuwirken. Bislang kann ein Fahrverbot gemäß § 44 StGB nur dann verhängt werden, wenn jemand „wegen einer Straftat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, zu einer Freiheitsstrafe oder...

Achtung Autofahrer – Führerscheinentzug auch bei ständigem Falschparken

In dieser Woche hat das Verwaltungsgericht Berlin eine Entscheidung zur Entziehung der Fahrerlaubnis getroffen, die auch für unseren Strafrechtsblog interessant ist, weil sie die „bösen Verkehrssünder“ im Berliner Straßenverkehr betrifft. Denn das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 23. Oktober 2016 – 11 L 432.16 eine Entscheidung des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) aufrechterhalten, nach der die Fahrerlaubnis auch schon bei einer Vielzahl von Parkverstößen entzogen werden kann – ganz ungeachtet der im Verkehrszentralregister eingetragenen Punktzahl. Der Betroffene hatte zwischen Januar 2014 und Januar 2016 insgesamt 88 Verkehrsordnungswidrigkeiten begangen, davon 83 Parkverstöße. Nachdem der Betroffene der Aufforderung des LABO, ein...