Die Verlesung von Einlassungen früherer Mitangeklagter verstößt gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz

In der Regel ist es nicht möglich, dass Mitangeklagte in der Hauptverhandlung als Zeugen aussagen können. Denn Mitangeklagte sind Beschuldigte, denen ein Schweigerecht zusteht. Sie können – anders als Zeugen – nicht zu einer Aussage vor Gericht gezwungen werden. Zudem würde mit einer Vernehmung eines Mitangeklagten als Zeuge der Grundsatz umgangen werden, dass ein Angeklagter nicht Zeuge in einem gegen ihn geführten Strafverfahren sein kann.

Wie es in der Juristerei so üblich ist, gibt es Ausnahmen von diesem Grundsatz. So können Mitangeklagte dann als Zeugen aussagen, wenn das Verfahren gegen sie abgetrennt ist oder im Berufungsverfahren die Berufung des ehemaligen Mitangeklagten bereits verworfen wurde. 

Auch das Landgericht Berlin hatte in einem gegen den Angeklagten unter anderem wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in mehreren Fällen die Aussagen früherer Mitangeklagter in die Hauptverhandlung eingeführt. Allerdings rechtsfehlerhaft, wie der Bundesgerichtshof nun mit Beschluss vom 19. März 2019 – 5 StR 104/19 entschied.

Die Verfahren gegen den Angeklagten und die beiden Mitangeklagten waren zunächst gemeinsam geführt worden. Die Mitangeklagten hatten sich in der Hauptverhandlung zur Sache eingelassen. Danach wurde das Verfahren gegen den Angeklagten abgetrennt. Obwohl es hier ausnahmsweise zulässig gewesen wäre, die Aussagen der früheren Mitangeklagten in das Verfahren gegen den Angeklagten einzuführen, stolperte das Landgericht über den sogenannten Unmittelbarkeitsgrundsatz in § 250 StPO. Denn es führte die Aussagen durch die Verlesung der Angeklagten ein.

Nach dem Unmittelbarkeitsgrundsatz muss das Gericht Beweispersonen als Zeugen vernehmen und darf die Vernehmung nicht durch die Verlesung eines Protokolls über die Vernehmung einführen. Etwas anderes gilt nur in begrenzten Ausnahmefällen, die hier aber nicht gegeben waren. Der Bundesgerichtshof hob die Verurteilung des Landgerichts Berlin deshalb teilweise auf.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht aus Berlin

Das könnte dich auch interessieren …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert