Kategorie: Rolle im Strafprozess

„Glauben Sie tatsächlich den Quatsch, den Sie hier erzählen?“ – Ablehnung eines Schöffen wegen Befangenheit

Ein Ablehnungsgesuch wegen der Besorgnis der Befangenheit ist nach § 24 StPO begründet, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Nach § 31 StPO gilt dieser Vorschrift auch für Schöffen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH liegt ein solcher Grund vor, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die die erforderliche Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit störend beeinflussen kann. Maßstab für die Beurteilung ist dabei ein vernünftiger bzw. ein verständiger Angeklagter.

„Nicht ohne meinen Anwalt“ – Urteilsaufhebung wegen Terminierung der Hauptverhandlung trotz Verhinderung des Wahlverteidigers

Die Arbeit eines Strafverteidigers spielt sich hauptsächlich vor Gericht ab. Wer mehrere Mandanten vertritt, wird deshalb häufig mit Terminkollisionen zu tun haben. Doch was kann man tun, wenn das Gericht sich nicht auf eine Terminverlegung einlassen will, obwohl man an dem von dem Gericht bestimmten Termin bereits eine andere Hauptverhandlung wahrnehmen muss? Einen Anspruch auf die Verlegung des Termins hat man als Strafverteidiger nicht. Allerdings ist man in solchen Fällen auch nicht komplett rechtlos gestellt, wie ein aktueller Beschluss des Bundesgerichtshofes (BGH) zeigt.  Dem Beschluss des BGH vom 21. März 2018 – 1 StR 415/17 lag ein Verfahren vor dem...

1.000 Ecstasy-Pillen – ohne Feststellungen zum Wirkstoffgehalt kein Erwerb in nicht geringer Menge

In gerichtlichen Verfahren gilt der allseits bekannte Grundsatz: Im Zweifel für den Angeklagten. So auch bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Stehen die tatgegenständlichen Betäubungsmittel für eine Untersuchung nicht mehr zur Verfügung, muss die Wirkstoffkonzentration der Drogen geschätzt werden. Das Gericht muss dabei andere sicher feststellbare Umstände berücksichtigen. Dazu zählen etwa die Herkunft und der Preis der Betäubungsmittel, die Handelsstufe oder Begutachtungen in Parallelverfahren. Dem Beschluss vom 31.05.2016 – 3 StR 138/16 lag dem Bundesgerichtshof ein Sachverhalt zugrunde, in dem der Beschuldigte 500 Ecstasy-Tabletten, 700g Marihuana, später erneut 500 Ecstasy-Tabletten und 3kg Amphetamin erworben hatte. Das Landgericht hatte es zuvor versäumt,...

Gesetzesänderung: Erscheinungspflicht für Zeugen bei der Polizei

In diesem Jahr wurde die Strafprozessordnung (StPO) an zahlreichen Stellen verändert. Von den Änderungen betroffen sind auch diejenigen, die als Zeugen in einem Strafverfahren beteiligt sind. Denn seit August 2017 sind Zeugen verpflichtet, zu einer polizeilichen Vernehmung zu erscheinen. Bisher waren Zeugen lediglich verpflichtet, eine Ladung der Staatsanwaltschaft und des Gerichts zur Vernehmung zu befolgen. Eine Ladung zu einer polizeilichen Vernehmung konnten Zeugen hingegen ohne Folgen ignorieren. Das führte in wenigen Einzelfällen dazu, dass bei der Polizei nicht erschienene Zeugen von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht vernommen werden mussten, wenn es bereits im Ermittlungsverfahren auf ihre Aussage ankam. Mit der...

Notwendigkeit der Verteidigung bei Verstoß gegen die Belehrungspflichten des Beschuldigten

Wann die Mitwirkung eines Verteidigers im Strafverfahren notwendig ist, regelt § 140 StPO. Neben den Fällen einer Eröffnung der Hauptverhandlung vor dem Landgericht oder Oberlandesgericht, dem Vorwurf eines Verbrechens oder dem Vollzug der Untersuchungshaft, ist eine Verteidigung beispielsweise auch dann notwendig, wenn dies aufgrund der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage erforderlich ist. Wann dies zutrifft, wird von den Gerichten im Einzelfall bewertet. Mit seinem Beschluss vom 23. Januar 2017 – 70 Qs 6/17 hat das Landgericht Hannover entscheiden, dass die Verteidigung notwendig ist, wenn die Möglichkeit eines Beweisverwertungsverbotes wegen fehlender Belehrung als Beschuldigter im Raum steht. Die Angeklagte war wegen...

Dem Verteidiger dürfen Teile der Ermittlungsakte auch dann nicht vorenthalten werden, wenn das Gericht ihren Inhalt für nicht entscheidungserheblich hält

Das Akteneinsichtsrecht des Verteidigers bildet die Grundlage für eine erfolgreiche Verteidigung. Denn ohne zu wissen, was die Strafverfolgungsbehörden gegen den Mandanten in der Hand haben, macht eine Verteidigung keinen Sinn. Ob der Verteidiger den gesamten Inhalt der Ermittlungsakte für eine erfolgreiche Verteidigung kennen muss, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls obliegt die Entscheidung darüber, welche Teile der Akte sich der Verteidiger ansieht, allein ihm selbst – wie der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 10. Mai 2017 – 1 StR 145/17 nun klarstellen musste. In der vom BGH zu verhandelnden Revision ging es um die Frage, ob dem Verteidiger des Angeklagten zu Unrecht...