Kategorie: Urteil- und Entscheidungsbesprechung

1.000 Ecstasy-Pillen – ohne Feststellungen zum Wirkstoffgehalt kein Erwerb in nicht geringer Menge

In gerichtlichen Verfahren gilt der allseits bekannte Grundsatz: Im Zweifel für den Angeklagten. So auch bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Stehen die tatgegenständlichen Betäubungsmittel für eine Untersuchung nicht mehr zur Verfügung, muss die Wirkstoffkonzentration der Drogen geschätzt werden. Das Gericht muss dabei andere sicher feststellbare Umstände berücksichtigen. Dazu zählen etwa die Herkunft und der Preis der Betäubungsmittel, die Handelsstufe oder Begutachtungen in Parallelverfahren. Dem Beschluss vom 31.05.2016 – 3 StR 138/16 lag dem Bundesgerichtshof ein Sachverhalt zugrunde, in dem der Beschuldigte 500 Ecstasy-Tabletten, 700g Marihuana, später erneut 500 Ecstasy-Tabletten und 3kg Amphetamin erworben hatte. Das Landgericht hatte es zuvor versäumt,...

Diebstahl mit Waffen durch das Mitsichführen eines Seitenschneiders?

Man stelle sich einmal folgende Situation vor: Beim Einkaufen steckt man geistesabwesend und versehentlich einen Artikel ein, wobei einen das Personal erwischt. Bei der anschließenden Durchsuchung stellt sich heraus, dass man noch einen Seitenschneider mit sich trägt. Und nun der Schock – der Vorwurf des Diebstahls mit Waffen. Bei dem Seitenschneider soll es sich um ein „gefährliches Werkzeug“ gehandelt haben. Ob der Vorwurf zutreffend ist, kommt auf die konkrete Beschaffenheit des Seitenschneiders an. Die Rechtsprechung hat sich Ende letzten Jahres abermals damit beschäftigt, welche Voraussetzungen zur Annahme des Beisichführens eines gefährlichen Werkzeugs im Rahmen des schweren Raubes vorliegen müssen. In...

Raubüberfall mit Messer in der Hand – keine schwere Raubqualifikation

Der Raub stellt einen der prüfungsrelevantesten Paragraphen des StGB dar. Der einfache Raub nach § 249 StGB wird als Verbindung des Diebstahls mit der qualifizierten Nötigung gesehen und mit einer Freiheitsstrafe von nicht unter einem Jahr bestraft. Der Täter muss zum Zwecke der Wegnahme die qualifizierten Nötigungsmittel der Gewalt gegen eine Person oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben einsetzen. Entscheidend ist dabei die Verknüpfung von Nötigung und Wegnahme. Das heißt, dass die Gewalt oder die Drohung Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein müssen. Das hohe Strafmaß begründet sich daraus, dass der Täter das höher gestellte Rechtsgut der freien...

Wann wird ein Versicherungsbetrug zu einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr?

Wer vorhat, vorsätzlich einen vollendeten Auffahrunfall zu verursachen, um sich durch die Versicherungsleistungen eines anderen Verkehrsteilnehmers einen Vorteil zu verschaffen, sollte aufmerksam mitlesen. Denn der klassische Fall des Versicherungsbetrugs durch das absichtliche Herbeiführen eines Auffahrunfalls kann unter Umständen auch einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr darstellen. Doch nicht gleich jeder absichtliche Auffahrunfall reicht für die Annahme einer konkreten Gefahr von Leib oder Leben oder fremde Sachen von bedeutendem Wert aus. Die Frage danach, welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, hat der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom vom 25. April 2012 – 4 StR 667/11 behandelt. Dort hatte nämlich der Beschuldigte sein...

Zur Freiwilligkeit des Rücktritts vom Versuch bei Furcht vor Entdeckung

Als sogenannter persönlicher Strafaufhebungsgrund ermöglicht der Rücktritt vom Versuch, einer Bestrafung wegen einer rechtswidrig und schuldhaft versuchten Straftat zu entgehen. Entscheidend für den Rücktritt ist jedoch, dass er freiwillig erfolgt. An den „erfolgreichen“ Rücktritt vom Versuch sind einige Voraussetzungen geknüpft, die sich auch danach unterscheiden, ob ein beendeter oder ein unbeendeter Versuch vorliegt. Und auch das Merkmal der Freiwilligkeit unterliegt einigen Anforderungen. Unfreiwillig ist die Entscheidung zum Rücktritt dann, wenn Umstände von außen hinzutreten, die sich für den Täter als Hindernis darstellen und damit einer Tatvollendung zwingend entgegenstehen. Solche Umstände können beispielsweise vorliegen, wenn das Risiko, angezeigt oder bestraft zu...

AG Potsdam oder AG Tiergarten? BGH bestimmt Gerichtsstand im Jugendstrafverfahren

Über Zuständigkeitsfragen wird regelmäßig gestritten. Dabei werden von der betroffenen Stelle oftmals zahlreiche Argumente vorgetragen, weshalb sie selbst gerade nicht zuständig sein sollte. Nicht zuletzt deshalb stellt man sich die Prüfung der eigenen Zuständigkeit einer staatlichen Stelle scherzhaft als Frage nach dem „Warum ich?“ vor. Auch die Jugendrichter des Amtsgerichts Potsdam und des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin waren sich nicht sicher, wer für das betreffende Jugendstrafverfahren zuständig sein sollte. Schließlich musste der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) den Gerichtsstand bestimmen, Beschluss vom 02. November 2017 – 2 ARs 372/17 und 2 ARs 224/17. Diese Entscheidung wirft gleich zwei Fragen auf. Wieso...

Laserpointer-Angriff auf Polizeihubschrauber: Gefängnisstrafe ohne Bewährung

Immer wieder wird berichtet, dass Luftfahrzeuge mit Laserpointern angegriffen und die Piloten dadurch geblendet werden. Eine solche Laserpointer-Attacke stellt regelmäßig einen gefährlichen Eingriff in den Luftverkehr gemäß § 315 StGB dar. Das Gesetz sieht für einen solchen Eingriff eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor. Das Amtsgericht Zossen hat den Angeklagten wegen eines Laserpointer-Angriffs auf einen Polizeihubschrauber zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe aus Gründen der Generalprävention nicht zur Bewährung ausgesetzt – Urteil vom 31. Mai 2017 – 10 Cs 486 Js 41755/16 (171/17). Nach den Feststellungen des Amtsgerichts fühlte sich...