Liegt eine heimtückische Tötung nur bei „heimlichem“ Vorgehen vor?

Eine heimtückische Tötung nach § 211 Abs. 2 StGB liegt dann vor, wenn der Täter in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zur Tötung ausnutzt.

Hierbei ist wesentlich, dass der Mörder sein Opfer, das keinen Angriff erwartet – also arglos ist – in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren.

Im Rahmen einer heimtückischen Tötung erfordert das heimtückische Handeln kein „heimliches“ Vorgehen. Das Opfer kann auch dann arglos sein, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegentritt, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff zu begegnen.

In seinem Beschluss vom 06. Januar 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (5 StR 288/20) mit der Frage befassen, ob eine heimtückische Tötung auch dann vorliegt, wenn eine gewisse Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff liegt.

In dem, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt kannte der Angeklagte das Opfer seit seiner Jugendzeit. In der Vergangenheit war es bereits zu einer körperlichen Auseinandersetzung aufgrund einer von dem Angeklagten missbilligten intimen Beziehung zwischen dem Opfer und einer der Schwestern des Angeklagten gekommen.

Am Tatabend kam es zu einem zufälligen Treffen zwischen dem Angeklagten und dem Opfer, bei dem der Angeklagte aus nicht feststellbaren Gründen in erhebliche Wut auf das Opfer geriet und auf es zu rannte, um es anzugreifen. Das Opfer erkannte dies und floh.

Allerdings verfolgte der Angeklagte das Opfer und holte es ein, woraufhin der Angeklagte das Opfer zu Boden schlug. Im Anschluss stach der Angeklagte mindestens viermal auf den Oberkörper des am Boden liegenden Opfers mit einem Messer ein, um es zu töten.

Später starb das Opfer an den ihm zugefügten Verletzungen.

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes liegt das Merkmal einer Heimtücke hier nicht vor, da eine Arglosigkeit als Voraussetzung nicht erfüllt ist. Das Opfer kann zwar auch dann arglos sein, wenn der Täter ihm offen feindselig entgegentritt, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff zu begegnen.

Gleichwohl geschah der erste mit Tötungsvorsatz geführte Angriff im hiesigen Fall erst, als der Angeklagte den Geschädigten zu Boden gebracht hatte. Zu diesem Zeitpunkt war der Geschädigte nicht mehr arglos.

Die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem mit Tötungsvorsatz geführten Angriff war nämlich nicht so kurz, dass dem Opfer angesichts der Fluchtmöglichkeit und anwesender Zeugen keine Möglichkeit blieb, dem Angriff zu begegnen.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht aus Berlin-Kreuzberg

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