Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen von Kindern im Schlafraum einer Kindertagesstätte

Im Zeitalter des technischen Fortschritts, in dem es neben Smartphones auch Webcams, sog. „Spycams“ und co. gibt, ist es möglich, dass alles und jeder jederzeit aufgenommen und mit rasanter Geschwindigkeit über das Internet verbreitet und mit unzähligen Personen geteilt wird. Dies kann zu Problemen führen, wenn es sich dabei um unbefugte Aufnahmen handelt, die den höchstpersönlichen Lebensbereich einer Person betreffen und daher strafrechtlich von Relevanz sind.

Konkret betroffen ist dann häufig der Straftatbestand der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs gemäß § 201a StGB, der eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren vorsieht. Der Gesetzgeber bezweckte mit der Einführung der am 6. August 2004 in Kraft getretenen und am 21. Januar 2015 erweiterten Vorschrift des § 201a StGB, auf die technische Weiterentwicklung sowie auf den im Internet verbreiteten Umgang mit Bildern und Videos aus dem Privatbereich zu reagieren und die zuvor bestehende Diskrepanz zwischen dem strafrechtlichen Schutz vor Wortaufnahmen durch § 201 StGB und dem bisher nicht geschützten Recht auf Wahrung des persönlichen Lebensbereichs vor unbefugten Bildaufnahmen zu schließen.

Der § 201a Abs. 1 StGB lautet indes wie folgt:

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

  1. von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt,
  2. eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt,
  3. eine Bildaufnahme, die in grob anstößiger Weise eine verstorbene Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt,
  4. eine durch eine Tat nach den Nummern 1 bis 3 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht oder
  5. eine befugt hergestellte Bildaufnahme der in den Nummern 1 bis 3 bezeichneten Art wissentlich unbefugt einer dritten Person zugänglich macht und in den Fällen der Nummern 1 und 2 dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt.

Häufige Begehungsformen des § 201a StGB sind das heimliche Fotografieren oder die Videoaufzeichnung, aber auch die Weitergabe und Verbreitung von privaten Bildern oder sogar Nacktbildern über das Internet. Auch sind Fälle möglich, in denen Spycams in Brillen, Kugelschreibern oder sonstigen kleinen Gegenständen versteckt sind und Bilder- und Videoaufnahmen z.B. in Umkleiden oder auf Toiletten vorgenommen werden.

Es gibt aber auch einige Fälle, in denen nicht klar ist, ob eine Handlung unter den Tatbestand des § 201a StGB fällt. So auch in dem Beschluss des Landgerichts Berlin vom 4. Juni 2020 (515 Qs 39/20), in dem sich das Landgericht Berlin damit auseinandersetzen musste, ob es sich auch bei dem Schlafraum einer Kindertagesstätte um einen „gegen Einblicke besonders geschützten Raum“ im Sinne von § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB handelt.

Vorliegend hatte der Beschuldigte vom Gehweg aus mit seinem Mobiltelefon durch ein geöffnetes Fenster in den Schlafraum einer Kindertagesstätte fotografiert, in dem mehrere nur noch mit Unterwäsche bekleidete Kinder gerade ihren Mittagsschlaf antreten sollten.

Das Landgericht stellte insoweit fest, dass es sich auch bei der Kindertagesstätte (unabhängig von einem Sichtschutz) um einen gegen Einblick besonders geschützten Raum handelt. Mit der Schaffung von § 201a StGB habe der Gesetzgeber die Intimsphäre auch mit den Mitteln des Strafrechts gegen unbefugte Bildaufnahmen schützen wollen, den Strafschutz dabei aber auf den „letzten Rückzugsbereich“ des Einzelnen beschränkt. Mit diesem Schutzzweck sei es nicht zu vereinbaren, die Verwirklichung des Tatbestands davon abhängig zu machen, ob der Raum, in dem sich der Geschädigte aufhält, objektiv über einen Sichtschutz verfügt. Vielmehr komme es entscheidend darauf an, ob sich der Geschädigte an einem Rückzugsort aufhält, an dem er seine Intimsphäre vor unbefugten Bildaufnahmen geschützt wähnt. Dies sei bei Kleinkindern in Kindertagesstätten der Fall.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht in Berlin-Kreuzberg

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