Wut und Rache als niedriger Beweggrund?
Was einen Mord von einem Totschlag unterscheidet, sind die Mordmerkmale. Diese sind in § 211 Abs. 2 StGB aufgelistet:
– Mordlust
– Befriedigung des Geschlechtstriebes
– Habgier
– Niedrige Beweggründe
– Heimtücke
– Grausam
– Gemeingefährliche Mittel
– Ermöglichungs- oder Verdeckungsabsicht
Die niedrigen Beweggründe, die eines dieser Mordmerkmale darstellen, lassen sich wie folgt definieren: Beweggründe sind niedrig, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Aufgrund dieser allgemein gehaltenen Formulierung führen die niedrigen Beweggründe immer wieder zu Problemen.
So auch im Beschluss des Bundesgerichtshofes (1 StR 92/24) vom 17. April 2024. Der Angeklagte, dessen Frau sich zuvor von ihm getrennt hatte, war wütend und verletzt, dass diese mit ihrem neuen Freund und dem gemeinsamen Sohn in ihrem zusammen aufgebauten Eigenheim wohnte. Auch darüber, dass sie das größere Auto behielt und er nur den Smart abbekam, war er zunehmend verärgert. Daher entschloss er sich, zuerst die Garage mit dem Auto und anschließend das Haus anzuzünden, wobei ihm der Tod seiner Frau, ihres Partners und seines Sohnes gleichgültig war. Mit Benzin und Brandbeschleuniger ausgestattet, begab er sich zum Haus seiner Ex-Frau. Dort zündete er zuerst das in der Garage befindliche Auto an. Als er gerade sein Feuerzeug betätigen wollte, um auch das Haus in Brand zu setzen, konnte ihn seine Ex-Frau davon abhalten. Nach einem mehrere Minuten andauernden Kampfes kam schließlich die Polizei, die den Angeklagten endgültig von der Brandlegung abhalten konnte. Er versuchte sich anschließend zu suizidieren, konnte jedoch von einem Polizisten aufgehalten werden. Das Landgericht Ulm verurteilte den Angeklagten wegen Brandstiftung sowie wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchter Brandstiftung mit Todesfolge und mit Körperverletzung sowie wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.
Bezüglich des versuchten Mordes hat der Bundesgerichtshof jedoch rechtliche Bedenken. Das Gericht hat die zugrunde gelegten Motive der Wut, Rache und der Vermögensaufteilung nicht hinreichend beweiswürdigend unterlegt. Es wird demnach nicht ersichtlich, weshalb die Motive des Ärgers und der Wut hier auf einer niedrigen Gesinnung beruhen. Insbesondere im Hinblick auf die erörterte Überforderung des Angeklagten und des Suizidversuchs hätte das weiter ausgeführt werden müssen. Nur wenn das zugrundeliegende Motiv seinerseits als niedrig zu bewerten ist, sind niedrige Beweggründe gegeben, führt der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss aus.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg