Mord aus Heimtücke trotz frontalen Angriffs? 

Wer einen Mord in einer Klausur prüfen muss, kommt oftmals nicht an dem Mordmerkmal der Heimtücke vorbei. Da es eine Menge von Problemen birgt, ist es wohl eines der klausurrelevantesten Mordmerkmale. Nach der Definition handelt heimtückisch, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zur Tötung ausnutzt.

Ob auch im vorliegenden Fall das Mordmerkmal der Heimtücke einschlägig ist, hat der Bundesgerichtshof (1 StR 104/23) in seinem Beschluss vom 15. November 2023 entschieden. Der Angeklagte traf auf einem Bahnhof auf den Geschädigten, den er aus einer früheren Auseinandersetzung wiedererkannte. Nachdem sich die beiden wechselseitig als „Arschloch“ beleidigten, zog der Angeklagte aus seiner Tasche ein Jagdmesser mit einer Klingenlänge von 7,5 cm. Damit stach er dem zu ihm frontal stehenden Geschädigten ins Herz. Die Klinge drang durch den Herzbeutel und die Herzvorderwand in die linke Herzkammer des Geschädigten. Nachdem es der Geschädigte noch in die S-Bahn schaffte, verstarb er trotz sofort eingeleiteter Erste-Hilfe-Maßnahmen. Das Landgericht Stuttgart stellte in seinem Urteil das Mordmerkmal der Heimtücke fest. 

Der Bundesgerichtshof bestätigte diese Entscheidung. Demnach erfordere die Heimtücke kein heimliches Vorgehen. Das Opfer kann auch dann arglos sein, wenn ihm keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff zu begegnen, auch dann, wenn der Angreifer ihm feindselig entgegentritt. Der Geschädigte hatte weder Kampf- noch Abwehrverletzungen. Aus der Gesamtschau lässt lässt sich daher der Schluss ziehen, dass sich der Geschädigte zum Zeitpunkt des Messerstichs keines erheblichen Angriffs auf seine körperliche Unversehrtheit versah.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg

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