Der ausgewählte Pflichtverteidiger

Als Beschuldigter in einem Strafverfahren hat man das Recht, jederzeit einen Strafverteidiger zu beauftragen. Notwendig ist die Mitwirkung eines Verteidigers aber nur in ganz besonderen Fällen, etwa wenn das Verfahren vor dem Landgericht stattfindet oder ein Verbrechensvorwurf im Raum steht. In diesen Fällen muss dem Beschuldigten ein Verteidiger als Pflichtverteidiger beigeordnet werden.

In der Praxis läuft der Prozess der Beiordnung so ab, dass der Betroffene vom Gericht dazu aufgefordert wird, innerhalb einer Frist einen Verteidiger seiner Wahl zu benennen. Macht der Beschuldigte nicht von seinem Auswahlrecht Gebrauch, wird ihm ein vom Gericht bestimmter Verteidiger als Pflichtverteidiger beigeordnet. Hatte der Beschuldigte bereits einen Verteidiger, wird ihm dieser als Pflichtverteidiger beigeordnet.

Benennt der Betroffene innerhalb der Frist einen Verteidiger seiner Wahl, muss ihm dieser in der Regel auch beigeordnet werden. Zwar hat der Beschuldigte keinen Rechtsanspruch auf die Beiordnung des benannten Verteidigers. Da jedoch ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und seinem Anwalt eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Verteidigung ist, kann das Gericht die Beiordnung nur in besonderen Ausnahmefällen ablehnen.

Mit den Gründen zur ausnahmsweisen Ablehnung eines benannten Verteidigers hat sich das Landgericht Dessau-Roßlau mit Beschluss vom 7. März 2019 – 6 Qs 294 Js 7232/18 beschäftigt. Hintergrund war, dass dem Angeklagten die Beiordnung des von ihm benannten Verteidigers abgelehnt und ein anderer Verteidiger beigeordnet wurde. Hiergegen wandte sich der Angeklagte mit der Beschwerde.

Das Amtsgericht Dessau-Roßlau hatte die Beiordnung des von dem Angeklagten benannten Verteidiger aus dem 150 km entfernten Braunschweig mit der Begründung abgelehnt, die Bestellung eines auswärtigen Rechtsanwaltes komme nur in Betracht, wenn ein besonderes Vertrauensverhältnis dargelegt werde. Zudem hatte der Verteidiger einen Termin zur Hauptverhandlung erst im Juli 2019 angeboten. Das Amtsgericht wollte wegen besonderer Eilbedürftigkeit aber einen Termin im Zeitraum Februar bis April 2019 anberaumen.

Das Landgericht ordnete dem Angeklagten schließlich den von ihm benannten Verteidiger als Pflichtverteidiger bei. Dazu führte es aus, dass zwar kein allgemeiner Anspruch auf die Beiordnung des gewünschten Anwalts bestehe. Ein benannter Verteidiger könne allerdings nur in Ausnahmefällen nicht beigeordnet werden, etwa wenn das Beschleunigungsgebot der Beiordnung entgegenstehe. Das Beschleunigungsgebot gilt insbesondere bei inhaftierten Angeklagten, bei denen die Hauptverhandlung besonders zügig anberaumt und durchgeführt werden muss. In dem vom Landgericht zu entscheidenden Fall befand sich der Angeklagte aber nicht in Haft.

Außerdem sah es das Landgericht als unschädlich an, dass der Verteidiger nicht ortsansässig war. Denn Ortsnähe ist für die Bestellung eines Wahlverteidigers zum Pflichtverteidiger keine Voraussetzung mehr. Zudem sah das Landgericht die Entfernung von 150 km auch nicht als so groß an, dass sie ausnahmsweise zur Bestellung eines ortsnahen Verteidigers hätte führen müssen.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht

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Eine Antwort

  1. 1. September 2019

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