Verhängnisvoller Rauschmittelkonsum? – Zur Strafbarkeit von Tötungsdelikten durch Unterlassen bei gemeinsamen Cannabiskonsum

Durch Unterlassen gem. § 13 StGB kann eine Tat nur von demjenigen begangen werden, der rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Deliktserfolg nicht eintritt. Diese sogenannte Garantenpflicht kann sich nicht nur aus Vertrag und Gesetz ergeben, sondern auch aus der Rechtspflicht bestimmte Rechtsgüter zu schützen, ebenso aus der Rechtspflicht vor bestimmten Gefahrenquellen zu schützen. Die Garantenpflicht bei Tötungsdelikten in Folge von Rauschmittelkonsum entsteht dabei jedoch nicht allein aufgrund des gemeinsamen Konsums dieser. Vielmehr ist die konkrete Übernahme einer Beistandspflicht, oder das bewusste Schaffen einer Gefahrenquelle nötig.

Bei der Beantwortung der Frage ob eine Garantenpflicht vorliegt, wird zwischen Beschützer- und Überwachergaranten unterschieden, die jeweils eine rechtliche Handlungspflicht begründen können. Entstehen in einer Gefahrengemeinschaft berechtigte Erwartungen, eine besondere Schutzpflicht der Rechtsgüter des jeweils anderen zu übernehmen, so ergibt sich die Garantenpflicht eines Beschützergaranten. Das Inverkehrbringen von Rauschmitteln kann die Schaffung einer Gefahrenquelle bedeuten und somit dazu führen, dass dem Verantwortlichen besondere Sicherungspflichten als Überwachungsgarant obliegen.

Der Bundesgerichtshof setzte sich in einem Urteil vom 11.09.2019 – 2 StR 563/18mit der Frage auseinander, wann bei dem gemeinschaftlichen Konsum von Rauschmitteln eine Garantenpflicht bei einem Unterlassungsdelikt gem. § 13 StGB anzunehmen ist.

In dem entschiedenen Fall trafen die Angeklagten auf den bereits erheblich alkoholisierten Geschädigten. In der Folge teilten sich die Angeklagten einen Joint, der ein sehr wirksames synthetisches Cannabinoid 5F– ADB enthielt. Von diesem wollte auch der Geschädigte einen Zug nehmen, was die Angeklagten ihm nicht gestatteten. Die Angeklagten wussten, dass es sich um „starkes Zeug“ handelte, ohne Kenntnis der gesundheitlich negativen Folgen. In der Folge entriss der Geschädigte einem der Angeklagten den Joint eigenmächtig und zog daran. Daraufhin fiel der Geschädigte um und blieb regungslos liegen, später würgte und erbrach er sich. Die Angeklagten brachten ihn in eine Art stabile Seitenlage, weitere

Rettungsmaßnahmen nahmen sie jedoch nicht vor. Schließlich verstarb der Geschädigte vor Ort.

Nach Auffassung des Gerichts stellt eine Gruppe von Konsumenten, die gemeinsam Rauschmittel zu sich nehmen, keine Gefahrengemeinschaft dar. Es fehlt an der nötigen Beistandspflicht. Auch ein pflichtwidriges Vorverhalten lässt sich nicht damit begründen, dass Betäubungsmittel abgegeben bzw. der Konsum von Rauschgift durch einen Dritten unterstützt wurde. Weiterhin scheidet eine Strafbarkeit wegen Schaffung einer Gefahrenquelle aus, wenn keiner der Angeklagten eine Gefahrenquelle geschaffen oder unterhalten hat. Zur Eröffnung der Gefahrenquelle zählt es, dass „die naheliegende Gefahr“, das Rechtsgut eines anderen zu verletzen, erfüllt wird. Die Annahme, eine Gefahrenquelle zu eröffnen, wird jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn sich das spätere Opfer den Zugang zum Rauschmittel selbst verschafft.

Der Geschädigte hat sich das Rauschgifts eigenmächtig verschafft. Eine Garantenpflicht und somit die Strafbarkeit wegen eines Tötungsdeliktes scheidet aus. Keiner der Angeklagten hat sich wegen eines Tötungsdelikts durch Unterlassen strafbar gemacht.

Es verbleibt allein die Strafbarkeit wegen Unterlassener Hilfeleistung gem. § 323 c StGB.

Die Unterscheidung zwischen einem Tötungsdelikt durch Unterlassen und Unterlassener Hilfeleistung gem. § 323 c StGB ist für die Beschuldigten hinsichtlich des Strafmaßes maßgeblich. Das Tötungsdelikt durch Unterlassen sieht eine Strafe nicht unter fünf Jahren vor. Unterlassene Hilfeleistung dagegen wird mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe sanktioniert.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin

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