Heimtückemord bei Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit für einen Raub

Mit dem Mordmerkmal der Heimtücke haben wir uns schon vor ein paar Wochen etwas ausführlicher beschäftigt. Aber noch einmal zur Wiederholung: Wann handelt jemand heimtückisch?

Nach der Rechtsprechung tötet heimtückisch im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB derjenige, wer bei Tötung die auf Arglosigkeit beruhende Wehrlosigkeit einer anderen Person ausnutzt. Arglos ist dabei, wer sich zum Zeitpunkt der Tat eines Angriffs nicht versieht, also die Vorstellung hat, vor einem Angriff sicher zu sein. Wehrlosigkeit ist gegeben, wenn dem Opfer die natürliche Abwehrbereitschaft und –fähigkeit fehlt oder stark eingeschränkt ist.

Heute wollen wir uns einmal genauer mit der Frage auseinandersetzen, ob das Mordmerkmal der Heimtücke auch dann erfüllt ist, wenn die durch die Arglosigkeit herbeigeführte Wehrlosigkeit tatplangemäß vor der Umsetzung des Tötungsvorhabens zu einem Raub oder einer räuberischen Erpressung ausgenutzt wird. Diese Frage beschäftigte auch den Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 26. März 2020 (4 StR 134/19).

In dem Fall hatten sich die Angeklagten dazu entschlossen, Entführungen und Erpressungen zum Nachteil wohlhabender Geschäftsleute zu begehen, um so an hohe Bargeldbeträge zu gelangen. Dabei sollte die Mitangeklagte die entsprechenden Personen als „Lockvogel“ unter einem Vorwand in eine Lagerhalle locken. Vor Ort sollten die Betroffenen von den anderen beiden Angeklagten dann überwältigt und gefesselt, ihnen das mitgeführte Bargeld abgenommen und sie unter Todesdrohungen dazu gebracht werden, weiteres Bargeld zu beschaffen. Bei ihrem Vorgehen hatten die Angeklagten von Anfang an die Absicht, die Opfer nach erfolgreichem Abschluss der Erpressung zu töten, um die Aufdeckung ihrer Täterschaft zu verhindern.

Es kam zu zwei solcher Entführungen, bei denen die Betroffenen dann nach Geldübergabe in einem Transporter erdrosselt wurden. Die Angeklagten waren daher wegen Mordes in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub mit Todesfolge und Raub mit Todesfolge bzw. räuberischer Erpressung mit Todesfolge zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt.

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs hat die Verurteilung der Angeklagten Bestand. Insbesondere haben die Angeklagten das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt, auch wenn nicht belegt werden kann, dass die Betroffenen in dem grundsätzlich dafür maßgeblichen Zeitpunkt des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs arglos waren.

Das Heimtückische könne bei einer von langer Hand geplanten und vorbereiteten Tat gerade auch in den Vorkehrungen liegen, die der Täter ergreift, um eine günstige Gelegenheit zur Tötung zu schaffen, sofern sie bei der Ausführung der Tat noch fortwirken. Es sei ausreichend, dass der Täter das Tatopfer unter Ausnutzung von dessen Arglosigkeit im Vorbereitungsstadium der Tat in eine wehrlose Lage bringt, er bereits in diesem Moment mit Tötungsvorsatz handelt und die so geschaffene Wehrlosigkeit bis zur Tatausführung ununterbrochen fortbesteht. Wird einem Betroffenen also eine raffinierte Falle gestellt, kommt es folglich nicht mehr darauf an, ob er zu Beginn der Tötungshandlung noch arglos gewesen ist.

So sei es auch hier der Fall gewesen, da der Geschäftsherr, nachdem er in die Falle gelockt worden war, ununterbrochen nicht in der Lage war, sich gegen die Angeklagten zu wehren.

Die Revision der Angeklagten hatte folglich keinen Erfolg, die Verurteilung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe blieb bestehen.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin

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