Gewaltsame Wegnahme eines Handys, um Daten zu löschen – keine Verurteilung wegen Raubes

Die Zeiten, in denen man mit Handys nur telefonieren kann, sind längst vorbei. Heutzutage werden mit Handys E-Mails empfangen, Schnappschüsse gemacht, Podcasts gehört und vieles mehr. Kein Wunder, dass sich diese Entwicklungen auch auf Fragen des Strafrechts ausgewirkt haben. So hat sich etwa der Bundesgerichtshof (BGH) vor kurzem erneut mit der Frage der Zueignungsabsicht beim Löschen von Daten auf einem Smartphone beschäftigt. 

Ausgangspunkt der aktuellen Entscheidung des BGH (5 StR 577/18) war eine Streitigkeit in der S-Bahn in Meißen, im Laufe derer die Betroffene den Angeklagten bespuckt und mit ihrem Handy Fotos von ihm angefertigt hatte. Der Angeklagte wollte diese Fotos löschen und versuchte der Betroffenen das Handy aus der Hand zu treten. Die Mitangeklagte setzte eine mit Bleikugeln gefüllte CO2-Pistole ein und feuerte zwei Schüsse auf die Betroffene ab, welche diese an Nasenflügeln und Unterarm trafen. Der Angeklagte schlug der Betroffenen zudem mehrmals mit wuchtigen Faustschlägen auf den Oberkörper und in das Gesicht, wodurch es ihm gelang, das Handy in seinen Gewahrsam zu bringen. Er verließ sodann die S-Bahn, löschte die auf dem Handy befindlichen Bilder, auf denen er abgebildet war, und legte das Handy unter eine Tanne.

Das Landgericht Dresden verurteilte den Angeklagten wegen schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Das Landgericht begründete die Zueignungsabsicht beim Raub damit, dass der Wille des Angeklagten zumindest vorübergehend darauf gerichtet gewesen sei, wie ein Eigentümer über die auf dem Handy gespeicherten Daten zu verfügen.

Auf die Revision des Angeklagten änderte der BGH die Verurteilung des Angeklagten in eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung ab und hob den Strafausspruch auf. Seine Entscheidung begründetet der BGH damit, dass der Angeklagte bei der Wegnahme und Löschung der Fotos auf dem Handy der Betroffenen keine Zueignungsabsicht hatte.

Nach ständiger Rechtsprechung ist Zueignungsabsicht beim Diebstahl oder Raub gegeben, wenn der Täter im Zeitpunkt der Wegnahme die fremde Sache unter Ausschließung des Gewahrsamsinhabers körperlich oder wirtschaftlich für sich oder eine Dritten erlangt und sie der Substanz oder dem Sachwert nach seinem Vermögen oder dem eines Dritten einverleiben oder zuführen will. Verneint wird die Zueignungsabsicht hingegen in Fällen, in denen der Täter die fremde Sache nur wegnimmt, um sie zu zerstören, zu vernichten, preiszugeben, wegzuwerfen, beiseite zu schaffen oder zu beschädigen.

In letztere Kategorie ordnete der BGH den geschilderten Fall ein. Eine Zueignungsabsicht sei nur dann zu bejahen, wenn der Täter das Handy – wenn auch nur vorübergehend – über die für die Löschung der Bilder benötigte Zeit hinaus behalten wolle. Dagegen sprach hier aber, dass der Angeklagte das Handy nur zum Zwecke der Löschung der Bilder an sich nahm und den Besitz des Handys kurz nach der Löschung wieder aufgegeben hatte.

Die Entscheidung zeigt erneut, dass nicht jede Wegnahme eines Handys einen Tatbestand der Eigentumsdelikte erfüllt. Es muss vielmehr sauber geprüft werden, welchen Zweck die Wegnahme hatte und was danach mit dem Handy geschieht. Die Entscheidung ist daher sowohl für Studierende als auch für Verteidigerinnen und Verteidiger von Bedeutung.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht aus Berlin

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