Die Schwere der Schuld im Jugendstrafrecht beim Überfall einer 91-jährigen

Das Jugendstrafrecht wird in den Strafrechtsvorlesungen der ersten vier Semester des Jura-Studiums nicht behandelt. Doch wer besonders am Strafrecht Interesse hat, kann an vielen Universitäten einen Kurs zum Jugendstrafrecht im Schwerpunktstudium belegen. Dabei steht vor allem das Jugendgerichtsgesetz (JGG) im Vordergrund, welches besondere Sanktionen und Verfahrensvorschriften für Jugendliche enthält. Auch der § 17 JGG spielt dabei eine entscheidende Rolle. Dieser regelt die Jugendstrafe, die höchste Sanktion im Jugendstrafrecht. Verhängt wird sie entweder beim Vorliegen schädlicher Neigungen oder wegen der Schwere der Schuld.

Wann die Schwere der Schuld festzustellen ist, musste der Bundesgerichtshof (2 StR 122/23) in seinem Beschluss vom 2. August 2023 entscheiden. Im vorliegenden Fall plante eine der drei Angeklagten, der 91-jährigen Geschädigten, die sie über einen Pflegedienst kennenlernte, Geld zu entwenden. Mit ihrer Tochter und ihrer 18-jährigen Nichte fasste sie den Plan, bei einem der gelegentlichen Besuche den Schlüssel zu entwenden. Mit diesem sollten die zwei weiteren Angeklagten (Tochter und Nichte) dann in die Wohnung eindringen und das Geld entwenden. Das setzten sie dann auch in die Tat um, wobei die beiden Angeklagten zusätzlich einen Hammer mitnahmen und der Geschädigten diesen vorhielten, um ihr Angst zu machen und jegliche Gegenwehr zu unterbinden. Bei der Tat konnten sie 1.500,00 € erbeuten. Zuvor äußerte die 18-jährige Angeklagte gegenüber der anderen Angeklagten Zweifel und innere Ablehnung in Bezug auf die Tat. Die beiden Angeklagten, die die Tat durchführten, verurteilte das Landgericht wegen besonders schweren Raubes. Bei der 18-jährigen Angeklagten wurde die Schwere der Schuld abgelehnt und keine Jugendstrafe verhängt. Dies beanstandete die Staatsanwaltschaft in der eingelegten Revision.

In seinen Urteilsgründen erklärte der Bundesgerichtshof zunächst, dass bei der Beurteilung der Schuldschwere eine jugendspezifische Gesamtabwägung vorzunehmen ist, wobei die Schwere der Schuld nicht vorrangig anhand des äußeren Unrechtsgehalts der Tat festzustellen ist. Vielmehr kommt es vor allem auf die innere Tatseite an. Der äußere Unrechtsgehalt der Tat kann aber Schlüsse auf die innere Tatseite zulassen.

Das Landgericht Aachen lehnte die Schwere der Schuld bei der Angeklagten ab, da diese sich innerlich ablehnend gezeigt hat. Dem stimmt der Bundesgerichtshof jedoch nicht zu, da dies mit den weiteren Urteilsgründen nicht in Einklang steht. Demnach beruht die zögerliche Haltung, die das Landgericht festgestellt hat, vielmehr auf der Furcht vor einer Entdeckung, als der Empathie zu der Geschädigten. Das stellte das Landgericht in ihren Ausführungen zu schädlichen Neigungen selber fest.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg

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