Der Wohnungseinbruchdiebstahl – zum Begriff der dauerhaft genutzten Privatwohnung
Der Wohnungseinbruchdiebstahl im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist ein absoluter Strafrechtsklassiker, der gerne in Klausuren vorkommt, aber auch häufig Gegenstand von Fällen der Strafrechtspraxis ist. Besonderes Augenmerk fällt dabei bereits auf den Begriff der „Wohnung“, aber auch auf den Verbrechenstatbestand des § 244 Abs. 4 StGB, nach dem der Einbruchdiebstahl in eine sog. „dauerhaft genutzte Privatwohnung“, mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu bestrafen ist.
Wie die Begriffe der „Wohnung“ und der „dauerhaft genutzten Privatwohnung“ auszulegen sind, war Gegenstand des Urteils des Bundesgerichtshof (BGH) vom 24. Juni 2020 (5 StR 671/19). Ausweislich der Urteilsfeststellungen war der Angeklagte mit Diebstahlsabsicht in verschiedene Gewerbe- und Wohnimmobilien eingebrochen. In einem der Fälle soll er versucht haben, in ein Wohnhaus einzubrechen, dessen einzige Bewohnerin einige Wochen zuvor in ein Pflegeheim gezogen und wenige Tage vor dem Einbruch verstorben war. Das Wohnhaus war daher zwar noch möbliert, aber nicht mehr bewohnt.
Das Landgericht Saarbrücken hatte eine Verurteilung wegen eines versuchten (schweren) Wohnungseinbruchdiebstahls abgelehnt und als Begründung angeführt, dass das Tatobjekt mit dem Auszug der Wohnungsinhaberin seine Eigenschaft als Wohnung verloren habe. Die Staatsanwaltschaft rügte mit ihrer Revision, dass das Landgericht den Angeklagten in diesem Fall nur wegen versuchten Diebstahls statt wegen versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls verurteilt hat.
In seiner Entscheidung hat der BGH ausgeführt, dass das Landgericht den Wohnungsbegriff des § 244 StGB zu eng ausgelegt hat. Wohnungen seien Räumlichkeiten, die Menschen wenigstens vorübergehend zur Unterkunft dienen. Über diese Zwecksetzung hinaus bedürfe es keiner weiteren Voraussetzungen. Insbesondere sei nicht erforderlich, dass die Wohnung im Tatzeitraum als solche genutzt wird. Entgegen der Auffassung der Strafkammer seien mithin auch unbewohnte Immobilien Wohnungen im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Dies gelte jedenfalls solange, als sie nicht als Wohnstätte entwidmet sind.
Weiter hat der BGH dargelegt, dass es sich bei einem unbewohnten – also nicht nur vorübergehend verlassenen – Wohnhaus allerdings nicht um eine dauerhaft genutzte Privatwohnung im Sinne des § 244 Abs. 4 StGB. Dafür spreche bereits der Wortlaut der Vorschrift, der über die dem Wohnungsbegriff des § 244 StGB immanente Zwecksetzung hinaus eine (dauerhafte) Nutzung der Wohnung verlangt. Aus dieser zusätzlichen Tatbestandsvoraussetzung folge, dass die Wohnstätte zur Tatzeit tatsächlich bewohnt sein muss.
Die Beschränkung des § 244 Abs. 4 StGB auf bewohnte Immobilien gebieten auch Sinn und Zweck der Vorschrift, die den Wohnungseinbruchdiebstahl zum Verbrechen qualifiziert (§ 12 Abs. 1 StGB). Sowohl der Qualifikationstatbestand des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB als auch der des § 244 Abs. 4 StGB finden ihre Rechtfertigung dem BGH zufolge darin, dass ein Wohnungseinbruchdiebstahl einen schwerwiegenden Eingriff in den privaten Lebensbereich darstellt, der gravierende Folgen und eine massive Schädigung des Sicherheitsgefühls der von der Tat Betroffenen zur Folge haben kann. Die im Vergleich zu § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB erhöhte Mindestfreiheitsstrafe des schweren Wohnungseinbruchdiebstahls nach § 244 Abs. 4 StGB, für den das Gesetz zudem keinen minder schweren Fall vorsieht, findet ihre Entsprechung in der höheren Intensität des Eingriffs in die Privat- und Intimsphäre, der mit dem Einbruch in eine zur Tatzeit tatsächlich bewohnte Wohnung verbunden ist.
Schließlich weist der Bundesgerichtshof aber noch darauf hin, dass vorliegend eine Strafbarkeit wegen eines versuchten schweren Wohnungseinbruchdiebstahls gemäß § 244 Abs. 4, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB in Betracht kommt, da es nicht auf die objektiven Umstände, sondern gemäß § 22 StGB auf die Vorstellung des Täters von der Tat beim unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung ankomme. Entscheidend sei daher das Vorstellungsbild des Angeklagten vom Einbruchsobjekt beim Versuch, die Hauseingangstür, die Hintertür und ein Fenster des Gebäudes aufzuhebeln. Angesichts der noch vorhandenen Möblierung des erst seit wenigen Wochen unbewohnten Hauses lasse sich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen, dass der gewerbsmäßig in Wohnungen einbrechende Angeklagte im Sinne eines Eventualvorsatzes von einem tatsächlich bewohnten Haus ausgegangen ist. Nach den Feststellungen des Landgerichts habe der Angeklagte sich mithin wegen eines (untauglichen) Versuchs eines schweren Wohnungseinbruchdiebstahls nach § 244 Abs. 4, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht in Berlin-Kreuzberg