Das Löschen von Daten auf einem Mobiltelefon begründet keine Zueignungsabsicht

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat wieder einmal eine wichtige Entscheidung zur Zueignungsabsicht von Daten auf Mobiltelefonen veröffentlicht. Egal ob kurz vor dem Examen oder im strafrechtlich geprägten Berufsalltag – jeder sollte die wichtigsten Aspekte dieser Entscheidung kennen, zumal die Fallkonstellationen zum Handydiebstahl stetig komplexer werden. Handydaten werden immer wichtiger, die Begründung der Zueignungsabsicht fällt dagegen oftmals schwer, wenn das Mobiltelefon selbst eigentlich nebensächlich ist.

Doch um was ging es genau? Der BGH hatte über einen Sachverhalt zu entscheiden, in dem die Angeklagten dem Geschädigten das Handy wegnahmen, um es auf etwaige Videos zu untersuchen und diese zu löschen. Das Handy selbst wollten die Angeklagten dem Geschädigten nicht zurückgeben. Vielmehr sollte über den Verbleib des Handys nach der Tat entschieden werden. Also wurde der Geschädigte mit seinem Auto in einen Hinterhalt gelockt. Unter Drohung mit einer Waffe wurde er aufgefordert, das Handy herauszugeben. Die Angeklagten rissen die Beifahrertür des Autos auf. Einer der Angeklagten schlug dem Geschädigten die Waffe auf den Kopf, während der andere Angeklagte ihn festhielt. Das Mobiltelefon wurde schließlich neben dem Beifahrersitz auf dem Boden gefunden und mitgenommen.

Das Landgericht Kleve verurteilte die Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung jeweils zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten. Der Revision der Angeklagten hielt dieses Urteil vor dem BGH jedoch nicht stand; Beschluss vom 28. April 2015 – 3 StR 48/15. Der Grund: Die Angeklagten hatten keine Zueignungsabsicht hinsichtlich des Mobiltelefons, sodass sie lediglich wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung verurteilt hätten werden können.

Zueignungsabsicht hat, wer sich oder einem Dritten die Sache zumindest vorübergehend aneignen und den Eigentümer dauerhaft aus seiner Eigentumsposition verdrängen will.

Hinsichtlich der Aneignungskomponente muss Absicht vorliegen, während für die Enteignungskomponente auch bedingter Vorsatz ausreicht. Anerkannt ist, dass sich die Zueignungsabsicht entweder auf die Sache selbst (Sachsubstanz) oder ihren Wert (Sachwert) richten muss. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH fehlt es an der Aneignungsabsicht, wenn es sich lediglich um eine straflose Gebrauchsanmaßung handelt oder die Sache nur weggenommen wird, um sie „zu zerstören, zu vernichten, preiszugeben, wegzuwerfen, beiseite zu schaffen, zu beschädigen, sie als Druckmittel zur Durchsetzung einer Forderung zu benutzen oder um den Eigentümer durch den bloßen Sachentzug zu ärgern“.

In den Fällen, in denen ein Mobiltelefon lediglich zur Sichtung oder zum Kopieren von Daten weggenommen wird, stellt sich das Problem, dass es dem Wegnehmenden überhaupt nicht auf das Mobiltelefon an sich oder seinen Wert ankommt.

Der BGH verneint hier die Zueignungsabsicht, weil die Angeklagten das Handy zum Zeitpunkt der Wegnahme nicht über die zur Löschung der Bilder benötigte Zeit hinaus behalten wollten. Dass die beabsichtigte Durchsuchung des Speichers im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der Sache lagen, ist für den BGH unschädlich, da der Sachgebrauch jedenfalls nicht zum Verbrauch der Sache geführt habe. Zwar könne die Zueignungsabsicht auch vorhanden sein, wenn die Wegnahme mit dem Willen vollzogen wird, die Sache zunächst zu behalten und erst später darüber zu entscheiden, wie über sie verfügt werden soll. Erforderlich sei aber zumindest der Wille, die Sache zumindest vorübergehend zu behalten.

Auch eine räuberische Erpressung, die der BGH sonst in Fällen der fehlenden Zueignungsabsicht prüft, lehnte er hier ab. Die erforderliche Bereicherungsabsicht sei nicht gegeben, da der bloße Besitz grundsätzlich keinen Vermögensvorteil darstelle. Anders sei dies nur dann, wenn ihm ein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zukommt. Dies sei aber gerade nicht der Fall, wenn der mit der Tat verbundene Vermögensvorteil nur als notwendige Folge der Wegnahme eines ausschließlich auf einen anderen Zweck gerichtete Verhalten hingenommen werde.

Das Urteil des Landgerichts hob der BGH aus diesen Gründen auf. Kritisch betrachten kann man diese Ausführungen dennoch. Denn auch in anderen Fällen hat der BGH die Zueignungsabsicht angenommen, insbesondere wenn es dem Täter auf den funktionstypischen Gebrauch der Sache ankam. Vergleicht man den Fall jedoch mit dem aufgedrängten Transportbehältnis, bei dem die Zueignungsabsicht verneint wird, weil der Täter die Sache wegen ihrer Untrennbarkeit von dem gewollten Objekt zwangsweise mitnehmen muss, so ist die Ansicht des BGH folgerichtig. Denn die Daten sind nicht von dem Mobiltelefon zu trennen. Strafbarkeitslücken entstehen nicht, weil zumindest immer noch eine Nötigung und in diesem Fall auch eine gefährliche Körperverletzung in Betracht kommt.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Anwalt für Strafrecht in Berlin

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