Kategorie: Allgemein

Heimtückische Tötung eines Kleinkindes
BGH, Beschl. v. 5.8.2014 − 1 StR 340/14 (LG Ravensburg) = NStZ 2015, 215

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass es bei der Tötung eines wenige Wochen oder Monate alten Kleinkindes für die Frage der Heimtücke nicht auf dessen Arg- und Wehrlosigkeit ankommt, da es aufgrund seines Alters noch zu keinerlei Argwohn oder Gegenwehr fähig ist, sondern auf die Arg- und Wehrlosigkeit eines im Hinblick auf das Kind schutzbereiten Dritten. Schutzbereiter Dritter ist jede Person, die den Schutz eines Kleinkindes vor Leib- und Lebensgefahr dauernd oder vorübergehend übernommen hat und diesen im Augenblick der Tat entweder tatsächlich ausübt oder dies deshalb nicht tut, weil sie dem Täter vertraut oder vom Täter ausgeschaltet...

Der straflose Konsum von illegalen Drogen und seine Tücken

Der Konsum von illegalen Drogen jeglicher Art wie Marihuana, Kokain oder Heroin stellt eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung dar und ist im Betäubungsmittelgesetz nicht ausdrücklich erwähnt. Gemäß dem Grundsatz „keine Strafe ohne Gesetz“ ist die Einnahme von Drogen daher juristisch gesehen straffrei. Ist das Konsumieren von Drogen also komplett sorglos möglich? Kurze Antwort: Nein. Denn strafbar ist jede andere denkbare Form des Umgangs mit illegalen Drogen, insbesondere der Erwerb, der Besitz, der Handel und die Herstellung. Wird hiergegen verstoßen droht gemäß § 29 BtMG eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe. Für den straflosen Konsum bleibt folglich kaum noch Raum, da...

Amtsanmaßung – ein eigenhändiges Delikt?

Im Strafrecht wird zwischen eigenhändigen und solchen Delikten unterschieden, die auch gemeinschaftlich begangen werden können. Eigenhändige liegen vor, wenn der Täter nur durch sein eigenes Handeln persönlich den Tatbestand erfüllen kann. Zur Abgrenzung wird insbesondere darauf abgestellt, ob das maßgebliche Unrecht in der Gefährdung des Rechtsguts oder in dem eigentlichen verwerflichen Tun liegt. In seinem Urteil – BGH 5 StR 37/20 – vom 14.04.2020 stellte der BGH fest, dass die Amtsanmaßung gem. § 132 StGB kein eigenhändiges Delikt ist, sondern auch in Mittäterschaft begangen werden kann. Der Angeklagte war Mitglied einer Tätergruppe, die sich als Polizeibeamten ausgaben, um so Betrugstaten...

Eine Erhöhung des Entdeckungsrisikos schließt die Freiwilligkeit bei einem Rücktritt grundsätzlich nicht aus

Als persönlicher Strafaufhebungsgrund stellt der Rücktritt gemäß § 24 StGB eine Möglichkeit dar, die bereits eingetretene Strafbarkeit wegen einer rechtswidrig und schuldhaft versuchten Straftat rückwirkend wieder aufzuheben. Bei einem Rücktritt vom Versuch wird gemäß § 24 Abs. 1 StGB nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder sich freiwillig und ernsthaft bemüht den Erfolgseintritt der Tat zu verhindern.  Eine ausschlaggebende Voraussetzung ist hierbei, dass der Täter sich freiwillig, also aus autonomen Gründen dazu entscheidet, zurückzutreten. Ein Täter darf mithin nicht durch eine äußere Zwangslage oder inneren seelischen Druck dazu bestimmt werden, die weitere Ausführung der Tat zu...

Verhängnisvoller Rauschmittelkonsum? – Zur Strafbarkeit von Tötungsdelikten durch Unterlassen bei gemeinsamen Cannabiskonsum

Durch Unterlassen gem. § 13 StGB kann eine Tat nur von demjenigen begangen werden, der rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Deliktserfolg nicht eintritt. Diese sogenannte Garantenpflicht kann sich nicht nur aus Vertrag und Gesetz ergeben, sondern auch aus der Rechtspflicht bestimmte Rechtsgüter zu schützen, ebenso aus der Rechtspflicht vor bestimmten Gefahrenquellen zu schützen. Die Garantenpflicht bei Tötungsdelikten in Folge von Rauschmittelkonsum entsteht dabei jedoch nicht allein aufgrund des gemeinsamen Konsums dieser. Vielmehr ist die konkrete Übernahme einer Beistandspflicht, oder das bewusste Schaffen einer Gefahrenquelle nötig. Bei der Beantwortung der Frage ob eine Garantenpflicht vorliegt, wird zwischen Beschützer- und Überwachergaranten...

Die Flucht vor der Polizei als verbotenes Kraftfahrzeugrennen?

Als Reaktion auf mehrere tödlich verlaufene Autorennen im Straßenverkehr, darunter auch der populäre Kudammraser-Fall, bei welchem ein Autorennen in der Berliner Innenstadt zu dem Tod eines unbeteiligten Mannes geführt hatte, hatte der Gesetzgeber im August 2017 den Tatbestand des verbotenen Autorennens gemäß § 315d in das Strafgesetzbuch eingefügt. Die Teilnahme an einem Autorennen wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren und bei der Verursachung des Todes einer Person mit einer Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren bestraft. Konkret heißt es in § 315d StGB, dass bestraft wird, wer im Straßenverkehr ein nicht erlaubtes Kraftfahrzeugrennen ausrichtet oder durchführt (Nr. 1) oder...

Wie weit reicht das Notwehrrecht? Ein Urteil des Bundesgerichtshofs zu Kampfgeräuschen und Messerstichen.

Die Notwehr führt grundsätzlich zum Wegfall des Unrechts. Wer im Rahmen der Notwehr handelt, ist folglich nicht strafbar. Dies regelt § 32 StGB; ist eine Tat die erforderliche Verteidigung, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt man nicht rechtswidrig.  Mit den Begriffen des gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs wird die sogenannte Notwehrlage beschrieben. Diese muss zum Zeitpunkt der Tat vorliegen. Hierzu muss die Verletzung rechtlich geschützter Interessen eines Menschen drohen. Zu diesen Interessen gehören etwa das Leben, die körperliche Unversehrtheit, das Eigentum oder die Freiheit. Die Verletzung muss zudem unmittelbar bevorstehen, gerade stattfinden oder noch fortdauern. Der...