Ausnutzung der Machtposition durch den „Doktorvater“

Mit der Nötigung muss sich wohl jeder Jura-Studierende im Laufe seines Studiums auseinandersetzen und auch in der Praxis ist sie immer wieder ein relevantes Thema.  So erlangt der Tatbestand der Nötigung vor allem im Zusammenhang mit Sitzblockaden immer wieder an Aufmerksamkeit.

Die im § 240 StGB geregelte Nötigung verlangt zum einen eine Nötigungshandlung, die aus Gewalt oder der Drohung mit einem empfindlichen Übel bestehen kann. Weiterhin muss es zum Nötigungserfolg kommen (jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen) und der Täter muss in subjektiver Hinsicht vorsätzlich handeln. Zuletzt ist die Rechtswidrigkeit zu prüfen.

In seinem Beschluss vom 8. März 2023 musste sich der Bundesgerichtshof (6 StR 378/22) mit der Nötigung auseinandersetzen, wobei der Fokus auf der Nötigungshandlung der Drohung lag. Im vorliegenden Fall betreute der Angeklagte, der als Hochschullehrer an einer Universität tätig war, die aus Vietnam stammende Geschädigte. Die Geschädigte war durch ein gefördertes Promotionsvorhaben an der Universität und sprach nur unzureichend Deutsch. Bei mehreren Treffen drohte der Angeklagte ihr mit der Beendigung der Zusammenarbeit, wenn sie sich nicht von ihm auf ihr Gesäß schlagen lässt. Aus Angst vor den angekündigten Folgen ließ die Geschädigte die Schläge zu. Bei weiteren Treffen forderte er sie erneut auf, ihr Gesäß zu entblößen, um sie zu schlagen, drohte ihr dort aber nicht mit der Beendigung der Zusammenarbeit. Stattdessen sagte er ihr, dass er sie durch die Schläge auf einen künftigen Job vorbereiten wolle. Das Landgericht Göttingen wertete die Fälle ohne eine explizite Drohung nicht als Nötigung.

Der Bundesgerichtshof stellt jedoch in seinem Beschluss fest, dass auch derartige Fälle eine Nötigung darstellen können. Demnach kann man nicht nur mit klaren und eindeutigen Worten drohen, sondern auch mit allgemeinen Redensarten, unbestimmten Andeutungen und selbst mit schlüssigen Handlungen, sofern das angekündigte Übel erkennbar ist. Zudem können auch frühere Drohungen eine in die Tatgegenwart fortwirkende Drohwirkung entfalten. So kann im Einzelfall auch das Ausnutzen einer „Drohkulisse“ ausreichen, wenn durch eine ausdrückliche oder konkludente Erklärung des Täters eine finale Verknüpfung mit dem Nötigungserfolg hergestellt und dies vom Opfer als Drohung empfunden wird. Im hiesigen Fall waren der Geschädigten die früheren Drohungen „präsent“, sodass es vor diesem Hintergrund nahe liegt, dass der Angeklagte die von ihm geschaffene Lage in den Fällen ohne explizite Drohung ausgenutzt hat.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg

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