Zum Totschlag provoziert

Was unterscheidet den minder schweren Fall des Totschlags nach § 213 StGB vom Totschlag nach § 212 Abs. 1 StGB? Der § 213 StGB enthält zwei Alternativen, die einen Totschlag zu einem minder schweren Fall des Totschlags machen. Nach der ersten Alternative liegt ein minder schwerer Fall vor, wenn jemand ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Misshandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen wurde. Für diese Alternative ist also eine Provokation entscheidend. Nach der zweiten Alternative liegt ein minder schwerer Fall des Totschlags vor, wenn sonstige Gründe vorliegen.

In seinem Beschluss vom 10. Februar 2022 musste sich der Bundesgerichtshof (1 StR 508/21) mit der ersten Alternative befassen. Im hiesigen Fall saßen der Angeklagte und ein Freund auf einem Balkon, als sie den Geschädigten erblickten. Um eine vorausgegangene Auseinandersetzung fortzusetzen, begaben sich die Beiden zur Wohnungstür. Der Angeklagte nahm dabei ein 32 cm langes Küchenmesser mit, um dieses in einem ungünstigen Verlauf des Streits einzusetzen. Als der Angeklagte mit dem Geschädigten aufeinander traf, schlug der Geschädigte dem Angeklagten sofort ins Gesicht. Im Anschluss daran versetzte der Angeklagte dem Geschädigten mit dem Messer einen tödlichen Stich in die linke Oberkörperseite. Das Landgericht München verurteilte den Angeklagten daraufhin wegen Totschlags.

Der Bundesgerichtshof stellt in seinem Beschluss jedoch fest, dass sich die Erwägungen, mit denen der minder schwere Fall des Totschlags nach § 213 Alt. 1 StGB verneint wurden, sich als durchgreifend rechtsfehlerhaft erweisen. Demnach kommt es bei dem Merkmal „auf der Stelle zu Tat hingerissen“ auf den motivationspsychologischen Zusammenhang zwischen der Misshandlung oder Beleidigung durch das Opfer und der Körperverletzungshandlung des Täters an. Wenn der Täter bereits vor der Provokation zur Tat entschlossen war, liegt kein Fall des § 213 StGB vor. Der Bundesgerichtshof führt aus, dass der Umstand, dass der Angeklagte damit rechnete, angegriffen zu werden und daher das Messer mitnahm, nicht belegen, dass er es in jedem Fall mit Tötungsvorsatz verwenden wollte. Auch ein Täter, der generell darauf vorbereitet ist, angegriffen zu werden, kann durch eine Provokation auf der Stelle zur Tat hingerissen werden. Demgemäß entfällt die Anwendbarkeit des § 213 Alt. 1 StGB nur, wenn der Täter von vornherein zur Tat entschlossen war.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg

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