Ablehnung eines mit der Übersetzung von TKÜ-Protokollen beauftragten sachverständigen Dolmetscher

Insbesondere in größeren Verfahren ordnen die Ermittlungsbehörden zur Aufklärung von Straftaten oft die Überwachung der Telekommunikation der Betroffenen an. Werden die überwachten Gespräche nicht in deutscher Sprache geführt, wird ein Übersetzer mit der Übersetzung und Verschriftung der Gesprächsinhalte beauftragt. Die verschriftlichten Gesprächsprotokolle werden anschließend durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt. Doch was passiert, wenn die Verteidigung den Eindruck gewinnt, dass der beauftragte Übersetzer sich nicht auf die Übersetzung der Gespräche beschränkt, sondern eigene Interpretationen und Erläuterungen vorgenommen hat? Mit dieser Frage musste sich der Bundesgerichtshof (BGH) kürzlich in seinem Beschluss vom 13. Februar 2019 – 2 StR 485/18 beschäftigen.

Die Angeklagten wurden vom Landgericht Darmstadt wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen schuldig gesprochen und zu Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren bzw. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen das Urteil legten sie Revision ein und rügten, dass das Landgericht ihr Ablehnungsgesuch gegen den Übersetzer zu Unrecht zurückgewiesen habe.

Die Angeklagten hatten den beauftragten Übersetzer in der Hauptverhandlung wegen Befangenheit abgelehnt, weil sie der Ansicht waren, dass der Übersetzer sich nicht auf die Übersetzung der Gespräche beschränkt, sondern in Klammern eigene Interpretationen und Erläuterungen hinzugefügt habe, z. B. Er (Lkw-Fahrer); ihm (O. ); dorthin (verm. Ba. ); etwas (Probe). Dabei stützten sie sich auf die Befangenheit des „Dolmetschers“, der nach § 191 GVG entsprechend der Vorschriften über die Ausschließung und Ablehnung des Sachverständigen abgelehnt werden kann. Das Landgericht verwarf den Befangenheitsantrag mit der Begründung, dass die Vorschriften über die Ablehnung von Dolmetschern nicht auf den beauftragten Übersetzer der abgehörten Telefongespräche anwendbar sei. § 191 GVG gelte vielmehr nur für Dolmetscher bzw. Sachverständige, die vom Gericht zugezogen worden seien.

Der Argumentation des Landgerichts pflichtete der BGH in seinem Beschluss bei und stellte klar, dass ein im Ermittlungsverfahren von der Polizei oder der Staatsanwaltschaft beauftragter Übersetzer kein Dolmetscher im Sinne des § 191 GVG ist. Denn die Aufgabe des Dolmetschers sei es, die Verständigung der Verfahrensbeteiligten zu ermöglichen und nicht den Sinn einer außerhalb des Prozesses abgegebenen fremdsprachigen Äußerung zu ermitteln. Für letzteres ist der Sachverständige zuständig, dessen Ablehnung sich nach § 74 StPO richtet.

Will die Verteidigung einen von der Polizei oder der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren beauftragten sachverständigen Übersetzer ablehnen, so ist dies nach ständiger Rechtsprechung nur möglich, wenn dieser in der Hauptverhandlung vernommen wird. Werden die von dem sachverständigen Übersetzer angefertigten Gesprächsprotokolle hingegen verlesen, ist eine Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit nicht möglich. Die Verteidigung muss sich deshalb bereits im Ermittlungsverfahren um eine Gegenvorstellung zu dem übersetzten Gesprächsprotokoll bemühen. Macht die Verteidigung im Rahmen der Hauptverhandlung Einwände gegen die Richtigkeit der Übersetzung geltend, zwingt sie das Gericht dazu, sich von der Übereinstimmung der Übersetzung mit den fremdsprachigen Gesprächsprotokollen zu überzeugen. Geht das Gericht Zweifeln nicht nach, kann dies mit der Aufklärungsrüge angegriffen werden.

Da die Angeklagten hier aber weder eine Aufklärungsrüge erhoben und der sachverständige Übersetzter nicht in der Hauptverhandlung vernommen wurde, blieb die Revision vor dem BGH erfolglos. Ergänzend wies der BGH noch darauf hin, dass er die Zweifel der Angeklagten an der Richtigkeit der Übersetzung nicht teile. Denn die als mögliche Interpretationen beanstandeten Zusätze würden der Klarstellung und dem Verständnis dienen und seien teilweise mit „vermutlich“ gekennzeichnet und als solche ausnahmslos in Klammern gesetzt. Der sachverständige Dolmetscher habe durch die Klammern deutlich gemacht, dass es sich nur um eine mögliche Deutung seinerseits handele.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin


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3 Antworten

  1. @Roland: M.E. ist es auch die spielentscheidende Frage, ob die Klammererläuterung eine Erläuterung oder eine Interpretation war. Das erste wäre definitiv legitim (und auch erwünscht, da sachdienlich), das zweite – eher nicht…

  2. Roland sagt:

    Bei vielen Sprachen dürfte eine nackte Übersetzung ohne Kommentar bereits eine problematische Interpretation darstellen, weil z.B. die Grammatik und das Verständnis der Zeiten stark von der deutschen Abweicht, Wörter natürlich vieldeutig sind, manche „Idioms“ berufsbezogen sind oder Regiolekte und so weiter. Die oben genannte Klammererläuterung zum „Er“ mag sogar zwingend notwendig sein zum Verständnis, weil sich dieses „er“ durchaus grammatikalisch auf eine andere Person beziehen kann als sinngemäß gemeint ist – erlebt man ja oft genug bei deutschen Texten, wenn Nebensätze ins Spiel kommen.
    Nicht zu Unrecht gibt es das italienische „traduttore = traditore“ (ich hoffe, richtig geschrieben), also sinngemäß: der Übersetzer ist ein Verräter.

  3. Bei der Verlesung der im Ermittlungsverfahren gefertigten Übersetzungen ist die Strafkammer in der Hauptverhandlung wohl kaum imstande, sich über ihre Richtigkeit wenigstens ein Bild zu machen, geschweige denn sich gewissenhaft Aufklärung zu verschaffen, im Gegensatz zu der Vernehmung des Dolmetschers in der Hauptverhandlung.

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