Nicht ohne meinen Anwalt – Revisionshauptverhandlungen dürfen nicht ohne den vom Angeklagten gewählten Strafverteidiger stattfinden

In seiner Verfügung vom 25.9.2014 – 2 StR 163/14 gab der Bundesgerichtshof (BGH) bekannt, dass Revisionshauptverhandlungen nicht mehr in Abwesenheit der Angeklagten und ihrer gewählten Verteidiger durchgeführt werden dürfen. Damit versucht der BGH eine bislang übliche Praxis einzudämmen.

Der Wortlaut des § 350 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 StPO verlangt zwar nicht grundsätzlich die Anwesenheit eines gewählten Verteidigers in der Revisionshauptverhandlung. Und auch nach der bisherigen Rechtsprechung musste ein Pflichtverteidiger nur dann bestellt werden, wenn ein schwerwiegender Fall vorlag oder sich die Rechtslage als besonders schwierig darstellte.

Der zweite Senat des Bundesgerichtshofs sieht diese Praxis aber als nicht vereinbar mit dem Recht auf rechtliches Gehör, das in Artikel 6 Abs. 3 Buchstabe c) der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verankert ist. Insbesondere in Anbetracht des Umstands, dass die Revision zum BGH das einzige Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Urteile der Landgerichte und Oberlandesgerichte ist, erscheine es nicht vertretbar, den Angeklagten in den Hauptverhandlung ohne jegliche Vertretung und damit jedenfalls faktisch ohne rechtliches Gehör zu lassen.

Deshalb soll der Wahlverteidiger, wenn er mitteilt, dass er nicht zur Hauptverhandlung erscheinen wird, zukünftig regelmäßig zum Pflichtverteidiger bestellt werden, um die Durchführung des Verfahrens zu sichern. Der Verteidiger muss in diesen Fällen, so der BGH, das Sonderopfer hinnehmen, dass er gegebenenfalls eine geringere als die bei der Mandatserteilung vereinbarte Vergütung bekommt. Der Angeklagte seinerseits könne nicht auf eine Verteidigung in der Hauptverhandlung über die Revision verzichten – auch nicht aus Kostengründen.

Link zur Entscheidung

Steffen Dietrich, Rechtsanwalt

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4 Antworten

  1. Lieber Herr Hochstein,

    vielen Dank für die interessante Anmerkung. Ich begrüße es, wenn man gerichtliche Entscheidungen klar den Menschen zuschreibt, die sie getroffen haben – und nicht ihrer Institution. Aus diesem Grund habe ich beispielsweise in meinem Beitrag vom 21. Oktober diejenigen Richter benannt, die für die Entscheidung verantwortlich waren.

    Gleichzeitig hat sich allerdings die Formulierung „Der BGH hat entschieden“ eingebürgert, wenn es eigentlich nur einer von vielen Senaten (der zuständige) war. Wo also wollen wir die Grenze ziehen?

    An der Stelle, wenn ein Abweichen von der zugrunde liegenden Rechtsansicht nur über die Vorlage an den Großen Senat zulässig wäre? Angesichts der geringen Wahrscheinlichkeit hierfür dürfte dies kein geeignetes Abgrenzungskriterium sein.

    KS

  2. „In seiner Verfügung vom 25.9.2014 – 2 StR 163/14 gab der Bundesgerichtshof (BGH) bekannt, dass Revisionshauptverhandlungen nicht mehr in Abwesenheit der Angeklagten und ihrer gewählten Verteidiger durchgeführt werden dürfen.“

    Dem ist nicht so – nicht „der Bundesgerichtshof“ gab bekannt, sondern der Vorsitzende des 2. Strafsenats entschied so. Bislang handelt es sich mithin um eine bloße Einzelmeinung (und hier nicht einmal eines Strafsenats, sondern einer Einzelperson), nicht aber um die Mitteilung eines obersten Bundesgerichts im Sinne einer feststehenden Tatsache oder zu befolgenden Entscheidung.

    Die Vorsitzenden der übrigen Strafsenate sind nicht gehindert, weiterhin anderer Auffassung zu sein.

    „Damit versucht der BGH eine bislang übliche Praxis einzudämmen.“

    Auch hier: nicht „der BGH“.

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