Ich will dich nicht!

Der 3. Strafsenat hatte sich in seinem Beschluss vom 24. Juli 2014 (3 StR 286/14) mit der Frage auseinanderzusetzen, ob man sich auch dann wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen strafbar machen kann, wenn sich der Schutzbefohlene gegen die sexuellen Übergriffe sträubt und Erwachsenen mehrfach bittet aufzuhören. Klar wie Kloßbrühe? Mitnichten. Der in Rede stehende § 182 Abs. 3 StGB lautet wie folgt:

Eine Person über einundzwanzig Jahre, die eine Person unter sechzehn Jahren dadurch missbraucht, dass sie
1. sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2. diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen, und dabei die fehlende Fähigkeit des Opfers zur sexuellen Selbstbestimmung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Fischer (Rn. 11) sowie einige BGH-Senate (2 StR 589/06, 4 StR 304/10) argumentieren, dass § 182 Abs. 3 StGB schon nach dem Wortlaut nur einverständliche sexuelle Handlungen eines Erwachsenen mit einem Jugendlichen unter 16 Jahren erfasst. Der Anwendungsbereich des Abs. 3 decke sich nicht mit § 179 StGB.

S. Hofschlaeger  / pixelio.de

S. Hofschlaeger / pixelio.de

Dem will der 3. Senat (Becker/Schäfer/Mayer,Gericke,Spaniol) nicht folgen und argumentiert sowohl mit dem Wortlaut als auch mit dem Willen des Gesetzgebers. Die einschränkende Auslegung sei nicht durch den Wortlaut veranlasst, denn ein „Ausnutzen“ sei nicht nur dann gegeben, wenn der Jugendliche infolge seiner fehlenden Selbstbestimmungsfähigkeit keinen der sexuellen Handlung entgegenstehenden Willen entwickeln kann, sondern auch dann, wenn das jugendliche Opfer seinen noch unterentwickelten und deshalb nur bedingt vorhanden entgegenstehenden Willen nicht verwirklichen könne, etwa aufgrund der Dominanz des Täters bzw. eines bestehenden „Machtgefälles“.

Nach Ansicht des 3. Senats soll allein diese Auffassung derjenigen des Gesetzgebers entsprechen. Der Senat verweist hierzu auf die BT-Drucksache BT-Drucksache 12/4584 S. 8. Allerdings heißt es dort bzgl. der Ausformung des Begriffes „Ausnutzen“ lediglich:

Der Täter muß sich die Unreife des jugendlichen Opfers bewußt zunutze machen. Wesentlich hierfür ist ein unlauteres Verhalten des Täters, das dazu führt, daß das Opfer einen entgegenstehenden Willen nicht entwickeln oder verwirklichen kann. Echte, d. h. auf gegenseitiger Zuneigung beruhende Liebesbeziehungen werden daher von dem Tatbestand nicht erfaßt.

Die Drucksache verhält sich zu dem Problem folglich allenfalls indirekt. Ob unter dem „nicht-verwirklichen-können“ auch der hiesige Fall gemeint war, ist sehr fraglich, weil man bei dieser Formulierung sonst eher an den Gewaltbegriff denkt. Dagegen spricht auch, dass weiter oben in derselben Quelle notiert ist:

In Absatz 2 (heute Abs. 3, KS) wird als dritte Fallgruppe die Ausnutzung der Unreife des Opfers erfaßt. Dabei ist an Fälle gedacht, in denen der Täter die mangelnde Fähigkeit des noch nicht 16 Jahre alten Opfers, aufgrund seiner sittlichen und geistigen Entwicklung Bedeutung und Tragweite sexueller Handlungen zu erfassen und sein Handeln danach einzurichten, für seine sexuellen Zwecke ausnutzt. Das wird insbesondere dann der Fall sein, wenn eine Beziehung auf sexuelle Beherrschung des jugendlichen Opfers angelegt ist oder der Täter sich unlauterer Mittel der Willensbeeinflussung bedient.

Das bloße Ausnutzen der körperlichen Unterlegenheit des Opfers genügt gerade nicht. Unter einem „nicht-verwirklichen-können“ ist also nach Ansicht des Gesetzgebers nur eine emotional-psychische Unfähigkeit zu verstehen. Damit läge der 3. Senat falsch.

Konstantin Stern

Update 2014-10-21: An einigen Stellen wurde die Entscheidung fälschlich dem 2. statt dem 3. Senat zugeschrieben. Ich habe das geändert und auch die Entscheidung verlinkt. Vielen Dank für die Hinweise.

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5 Antworten

  1. egal sagt:

    Wenn schon von Schutzbefohlenen gesprochen wird, hätte ich gerne auch den §174 erwähnt, der halt genau das abdeckt.

  2. Geändert, danke! Das Aktenzeichen (3 StR 286/14) habe ich ergänzt.

  3. sowhy sagt:

    Sie haben mehrmals „2. Senat“ geschrieben wo „3. Senat“ gemeint war

  4. RA Splendor sagt:

    Wie wäre es mit einem Aktenzeichen?
    Und oben ist vom 2. Senat als Abweichler die Rede, darüber befindet sich aber ein Aktenzeichen des 2. Senats bei den Zustimmern. Das kann so nicht stimmen.

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