Entschärfung des Kinderpornografie-Gesetzes (§ 184b StGB) – warum die Justiz nun doch zurückrudert

Erst 2021 sind einige Regelungen des Sexualstrafrechts verschärft worden. Hintergrund war das Bekanntwerden einer Reihe von tragischen Kindesmissbrauchsfällen, die die große Koalition aus SPD und Union zum Anlass genommen hatten, verschiedene Straftatbeständen des 13. Abschnitts des Strafgesetzbuches (StGB), den Abschnitt über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, zu verschärfen.

Im Rahmen dieser Verschärfung ist beispielsweise die Verbreitung, der Besitz und die Besitzverschaffung von Kinderpornografie gemäß § 184b StGB zum Verbrechen mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr hochgestuft worden.

Diese Verschärfung des Strafgesetzbuches ist bereits vor der Umsetzung von vielen Seiten heftig kritisiert worden. So haben sich nicht nur Strafverteidiger, sondern auch der Deutsche Richterbund und die Staatsanwaltschaften entschieden gegen die Verschärfung ausgesprochen. Die Hochstufung des § 184b StGB zum Verbrechen führe nicht zu einer Verbesserung der Strafverfolgung, sondern erschwere den Staatsanwaltschaften vielmehr die effektive Arbeit.

Den Ermittlern sei mit der Hochstufung ein Großteil ihres Ermessensspielraum genommen worden. Die Möglichkeit, das Verfahren in bestimmten Konstellationen – ggf. gegen Auflagen (§§ 153, 153a Strafprozessordnung (StPO)) – einzustellen, gebe es nach aktueller Rechtslage nicht mehr. In Fällen, in denen die Erheblichkeitsschwelle nur unwesentlich überschritten ist, sei eine tat- und schuldangemessene Berücksichtigung nicht mehr möglich.

So hat die Verschärfung beispielsweise zur Folge, dass man bereits mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr rechnen muss, wenn man ein ungewollt (!) übersandtes kinderpornografisches Bild nicht schnell genug löscht. Auch Jugendliche, die sich gegenseitig Nacktfotos schicken, machen sich derzeit ausnahmslos wegen eines Verbrechens strafbar.

Inzwischen fordern daher viele Bundesländer – federführend Hamburg und Brandenburg – die alsbaldige Rückgängigmachung der Strafverschärfung. Es müsse den Bundesländern zufolge wieder eine Regelung geben, in der die individuellen Bedürfnisse des Einzelfalls angemessen berücksichtigt werden können.

Der Justizministerkonferenz – die am 10. November 2022 stattfindet – liegt daher ein Beschlussvorschlag des Landes Brandenburgs vor, in dem das Bundesjustizministerium dazu aufgefordert wird, einen Gesetzentwurf zu entwickeln, der den § 184b StGB entweder wieder als Vergehen herabstuft oder zumindest aber einen minder schweren Fall vorsieht.

Wofür sich der Gesetzgeber entscheidet, bleibt abzuwarten.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht aus Berlin-Kreuzberg

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