Die Feststellung des Fahrzeugführers i. S. d. § 31a StVZO mithilfe einer Google-Bildsuche
Eine Feststellung des Fahrzeugführers i. S. d. § 31a StVZO ist nicht unmöglich, wenn ein Foto mithilfe einer Google-Bildsuche abgeglichen werden kann.
Zum Sachverhalt
Am 18. Mai 2019 wurde der firmeneigene Pkw Audi Quattro der Klägerin bei einer Verkehrskontrolle mit 30 km/h zu schnell erfasst. Auf das Anhörungsschreiben der Polizei gab die Klägerin den Verkehrsverstoß nicht zu und Angaben zum Fahrzeugführer wurden auch nicht gemacht. Ermittlungsgesuche, den Geschäftsführer und Kommanditisten der Klägerin vorzuladen und anzuhören sowie Informationsgewinnung durch eine Mitarbeiterin verliefen erfolglos. Das Ordnungswidrigkeitenverfahren wurde schließlich eingestellt.
Das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten ordnete im Anschluss gegenüber der Klägerin für das entsprechende Fahrzeug oder für ein zu bestimmendes Ersatzfahrzeug an, ein Jahr ein Fahrtenbuch zu führen. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und nachdem dieser zurückgewiesen wurde, hat die Klägerin Klage erhoben.
Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 26.06.24 – 37 K 11
Die Anfechtungsklage sei begründet, da der angefochtene Bescheid rechtswidrig sei und die Klägerin in ihren Rechten verletze, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
Gem. § 31a Abs. 1 S. 1 StVZO kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein Fahrzeug oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.
Der Beklagte hat eine Tatbestandvoraussetzung dieser Vorschrift fälschlicherweise bejaht.
Die Feststellung des Fahrzeugführers sei gem. § 31a Abs. 1 S. 1 StVZO nicht unmöglich gewesen. Dies sei so, wenn die Behörde des Ordnungswidrigkeitenverfahrens es nach Einzelfallumständen nicht geschafft hätte, den Täter des Verkehrsverstoßes zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hätte.
Die Angemessenheit der Aufklärung richte sich danach, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß erfolgreich sein würden. Zu den gebotenen Ermittlungsmaßnahmen gehöre regelmäßig eine kurzfristige, also möglichst innerhalb von zwei Wochen erfolgende Benachrichtigung des Halters des mit dem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoßes mit der Frage nach dem Fahrzeugführer. Art und Umfang einer Ermittlung richte sich dann nach der Erklärung des Halters, denn wahllos zeitraubende Ermittlungen seien der Behörde unzumutbar.
Im vorliegenden Fall habe die Behörde nicht die zumutbaren Ermittlungen vorgenommen. Durch den Fahrzeugtyp, die Haltereigenschaft der Klägerin als juristische Person des Zivilrechts und des guten frontalen Fotos wäre eine Google-Suche erwartbar gewesen. Hier konnte schon allein durch den Firmennamen und den Geschäftsführernamen über eine Google-Bildsuche der Fahrer identifiziert werden.
Dass gerade bei Firmenfahrzeugen und der fehlenden Bereitschaft der Halter, an einer Aufklärung mitzuwirken, weitere Recherchen uferlos seien, wie es durch einen Behördenvertreter vorgebracht wurde, sei gerade nicht so. Insbesondere durch den niedrigen Aufwand einer Recherche nach dem Stand der Technik und da vorliegend der Fahrzeugtyp den Geschäftsführer in Betracht kommen lässt, drängte sich eine solche Aufklärungsmaßnahme praktisch auf. Die grundsätzliche Überlegung, Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit nach den Erklärungen des Halters zu richten, werde durch die vorliegende Pflicht zur Internetrecherche nicht infrage gestellt, vielmehr bilde diese ein oft naheliegendes Aufklärungsmittel.
Würde allein die fehlende Mitwirkung zu einer Einstellung weiterer Ermittlungen im Ordnungswidrigkeitenverfahren berechtigen, würde dies den vorgeschriebenen Untersuchungsgrundsatz nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 160 Abs. 1 und 2 StPO unterlaufen und würde der geschriebenen tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsnorm des § 31a Abs. 1 S. 1 StVZO für eine Fahrtenbuchauflage nicht mehr gerecht werden.
Der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage gem. § 31a Abs. 1 S. 1 StVZO komme eine präventive und keine strafende Funktion zu. Sie setzt tatbestandlich nicht voraus, dass der Halter seine Mitwirkungsobliegenheiten schuldhaft nicht erfüllt hat oder die Unmöglichkeit der Fahrzeugführerfeststellung sonst zu vertreten hat.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg