Die Beleidigung und die sog. „beleidigungsfreie Sphäre“

Die Beleidigung wird in rechtswissenschaftlichen Strafrechtsklausuren immer mal wieder abgefragt und auch in der Praxis kommt es im Rahmen einer aufgeheizten Situation nicht gerade selten zu strafrechtlich relevanten Äußerungen, die eine Anzeigenerstattung wegen Beleidigung zur Folge haben. Es ist daher wichtig, sich mit dem Tatbestand der Beleidigung näher auseinanderzusetzen.

Strafrechtlich geregelt ist die Beleidigung in § 185 des Strafgesetzbuches (StGB). Dort heißt es: „Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Unter einer Beleidigung versteht man konkret die Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung durch Werturteile. Es ist dabei einerseits möglich, dass der Betroffene durch den Täter beleidigt wird. Der Betroffene muss hier die Beleidigung selbst wahrnehmen und diese auch als solche verstehen können. Auch ist es möglich, dass der Täter die Beleidigung gegenüber einem Dritten äußert, der Betroffene selbst aber nicht anwesend ist. Hier ist es wichtig, dass der Dritte die Beleidigung wahrnimmt.

Interessant sind zudem Konstellationen, in denen es an einer Kundgabe fehlt, da sich der Täter bei der Äußerung in einer sogenannten „beleidigungsfreien Sphäre“ befunden hat. Dahingehend ist anerkannt, dass die Kundgabe aus gesellschaftlich-sozialen Gründen bei Gesprächen innerhalb der engeren Familie, unter Ehepaaren oder im Rahmen anderer, vergleichbarer und ebenso enger persönlicher Verhältnisse verneint wird, wenn die Vertraulichkeit nach den Umständen erkennbar ist und gewährleistet erscheint. In diesen Fällen wird der Schutz des persönlichen Freiraums des Täters über den Ehrschutz des Betroffenen gestellt.

Mit den Voraussetzungen einer solchen beleidigungsfreien Sphäre musste sich auch das Kammergericht (KG) in dem Beschluss 14. Juli 2020 (4 Ss 43/20) auseinandersetzen:

In dem Fall hatte der Angeklagte – ein Polizeimeisteranwärter – in einem Treppenhaus der Polizeiakademie gegenüber seinem Kollegen und Freund bezüglich einer weiblichen Kollegin den folgenden Kommentar abgegeben, den ein Zeuge mitbekam: „Der würd‘ ich geben, der Kahba“. Hiermit hat der Angeklagte in jugendlicher Vulgärsprache zum Ausdruck bringen wollen, dass er gerne mit „der Kahba“ geschlechtlich verkehren würde, wobei das arabische Wort „Kahba“ auf Deutsch „Schlampe“ oder „Prostituierte“ bedeutet.

Da der Angeklagte den Kommentar gegenüber seinem Freund und Kollegen abgegeben hatte, musste sich das Kammergericht damit auseinandersetzen, ob sich der Angeklagte hinsichtlich der ehrenrührigen Äußerung in einer sog. „beleidigungsfreien Sphäre“ befand,

Hierzu führte das Kammergericht aus, dass es zwar einen Bereich vertraulicher Kommunikation innerhalb besonders ausgestalteter Vertrauensbeziehungen gibt, in der der Äußernde ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Konventionen und ohne Sorge vor staatlicher Sanktionierung kommunizieren darf (= „beleidigungsfreie Sphäre“). Voraussetzung hierfür sei jedoch, dass die Vertraulichkeit nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls tatsächlich gewährleistet erscheint, die Kommunikation mithin gegen die Wahrnehmung durch Dritte abgeschirmt ist.

Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Der Angeklagte habe sich in einem Treppenhaus der Polizeiakademie befunden und gewusst, dass sich dort noch weitere Personen aufhielten bzw. sich jederzeit in das Treppenhaus begeben konnten. Besondere Maßnahmen, wie z.B. Flüstern, habe er indes nicht ergriffen.

Das Kammergericht stellte daher fest, dass der Angeklagte sich zum Zeitpunkt der ehrenrührigen Äußerung nicht in einer beleidigungsfreien Sphäre befand.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg.

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