Brutales Tatvorgehen: Strafschärfende Berücksichtigung bei verminderter Schuld

Inwieweit spielt die Alkoholisierung des Angeklagten bei der Feststellung der Strafe eine Rolle? Zur Beantwortung dieser Frage müssen der § 20 Strafgesetzbuch (StGB), der die Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen regelt und der § 21 StGB, der die verminderte Schuldunfähigkeit beschreibt, hinzugezogen werden. Ab einem Promillegehalt von 3,0 kann eine Schuldunfähigkeit wegen tiefgreifender Bewusstseinsstörungen gemäß § 20 StGB vorliegen, wodurch der Täter ohne Schuld handelt und nicht bestraft werden kann. Der Täter hat das verwirklichte Unrecht dadurch nicht zu verantworten. Eine verminderte Schuldfähigkeit nach § 21 StGB kommt ab 2,0 Promille in Betracht. Wenn das der Fall ist, kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB gemildert werden.

Der Bundesgerichtshof (6 StR 35/23) hat sich in seinem Beschluss vom 22. Februar 2023 damit beschäftigt, in welchem Ausmaß dem Täter die Brutalität des Vorgehens vorgeworfen werden kann, wenn seine Steuerungsfähigkeit gem. § 21 StGB erheblich vermindert war. Der alkoholisierte Angeklagte trat dem Geschädigten mehrmals gegen dessen Kopf bzw. Oberkörper. Auch als dieser für einige Sekunden reglos am Boden lag, trat der Angeklagt erneut zu. Bei der konkreten Strafzumessung berücksichtigte das Landgericht Nürnberg-Fürth die Brutalität des Vorgehens strafschärfend. Demnach soll die Brutalität in Hinblick auf die Anzahl, Intensität und Zielrichtung der Tritte überdurchschnittlich hoch gewesen sein.

Der Bundesgerichtshof stellt jedoch klar, dass die Art der Tatausführung einem Angeklagten nur dann uneingeschränkt strafschärfend zur Last gelegt werden darf, wenn sie in vollem Umfang vorwerfbar ist. Nicht jedoch, wenn ihre Ursache in einer von ihm nicht oder nur eingeschränkt zu vertretenen geistig-seelischen Beeinträchtigung liegt. Auch bei einem erheblich vermindert schuldfähigen Täter ist zwar Raum für eine strafschärfende Berücksichtigung, jedoch nur nach dem Maß der geminderten Schuld. Es muss in den Urteilsgründen erkennbar sein, dass diese Umstände berücksichtigt wurden, was jedoch aus dem Urteil des Landgerichts nicht hervorgeht.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg

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