Abgelehnte Zärtlichkeiten die zum Tod führten – Der bedingte Tötungsvorsatz

Der bedingte Tötungsvorsatz ist ein Thema, mit dem man sich wohl direkt in den ersten Semestern des Jurastudiums sehr intensiv auseinandersetzt und welches auch in der Strafrechtspraxis häufig aufgrund der Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit zu Problemen führt. Vorsatz meint kurz gesagt das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung und setzt sich damit aus zwei Elementen zusammen.

Der bedingte Tötungsvorsatz ist dann gegeben, wenn der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fern liegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich zumindest damit abfindet (Willenselement).

Auch der Bundesgerichtshof (2 StR 327/22) hat sich in seinem Beschluss vom 13. Oktober 2022 ausgiebig mit dem bedingten Tötungsvorsatz beschäftigt. Im vorliegenden Fall verbrachte der Angeklagte, der unter einer paranoiden Persönlichkeitsstörung und einer psychischen Verhaltensstörung durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum anderer psychotroper Substanzen leidet, den Tag in seinem Zimmer einer Wohngemeinschaft und trank dort eine halbe bis eine Flasche Whiskey.

Später ging er in das Zimmer des Geschädigten und umarmte und küsste ihn. Aufgrund dieses Verhaltens gerieten die beiden in einen Streit und daraufhin in eine körperliche Auseinandersetzung, während dessen Verlauf der Angeklagte dem Geschädigten mit einem Küchenmesser eine zum Tod führende Stichverletzung in den Hals zufügte.

Das Landgericht Frankfurt am Main führte aus, dass der Angeklagte den Tod des Geschädigten zumindest billigend in Kauf nahm und verurteilte ihn wegen Totschlags.

Der Bundesgerichtshof stellt jedoch in seinem Beschluss fest, dass ein bedingter Tötungsvorsatz nicht hinreichend belegt ist. Demnach sei zum einen nach den Urteilsgründen schon gar nicht ersichtlich, dass der Angeklagte wegen seines Zustands die Gefährlichkeit seines Handelns überhaupt erkannt hat (Wissenselement). Zum anderen hätte das Landgericht nach Auffassung des Bundesgerichtshofes in den Blick nehmen müssen, dass trotz äußerst gefährlicher Gewalthandlungen im Einzelfall das voluntative Element fehlen kann. Aufgrund dieser Umstände hält das angefochtene Urteil sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg

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