Wenn der Angeklagte seine Revision ohne Rücksprache mit seinem Verteidiger zurücknimmt

Es gibt immer wieder Fälle, in denen man sich wünscht, der Mandant hätte lieber nichts gemacht oder gesagt. Dass muss sich auch der Verteidiger gedacht haben, der seinen Mandanten in einem Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung vertreten hat. Ohne Absprache mit seinem Verteidiger hatte der Mandant die Revision gegen seine Verurteilung zurückgenommen – rechtswirksam, wie der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 2. Juli 2019 (2 StR 570/18) entschieden hat.

Der Angeklagte war vom Landgericht Aachen wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Gegen das Urteil legte der Verteidiger des Angeklagten Revision ein und begründete diese form- und fristgerecht. Etwa zwei Monate später erreichte das Landgericht ein handschriftlich verfasstes Schreiben, in dem der Angeklagte erklärte:

„Hiermit teile ich Ihnen mit, dass ich mit sofortiger Wirkung meinen Widerspruch/Einspruch sowie die Revision von meiner Verurteilung zurückziehe!! Ich nehme das Urteil von 5 Jahren und 9 Monate an… Ich habe damals Mist gebaut, den ich nicht wieder rückgängig machen kann. Ich möchte mich nun meinem Fehler stellen. Ich bitte daher darum meine Verurteilung nun rechtskräftig werden zu lassen“.

Auf eine Rückfrage des Landgerichts erklärte der Angeklagte gegenüber der Justizvollzugsanstalt, dass er das Schreiben nicht selbst verfasst habe. Vielmehr habe er das Schreiben von einem Mitgefangenen schreiben lassen. Er wolle aber weiterhin, dass die Revision bestehen bleibe.

Der Verteidiger des Angeklagten hielt dementsprechend an der Revision fest. Er war der Ansicht, dass die Revision nicht rechtswirksam zurückgenommen worden sei und wies das Gericht darauf hin, dass der Angeklagte der deutschen Sprache auch nicht hinreichend mächtig gewesen sei, um die Inhalte der Schriftsätze zur Kenntnis zu nehmen.

Der BGH sah dies anders und stellte mit deklaratorischem Beschluss fest, dass der Angeklagte die Revision wirksam zurückgenommen hat.

Dass der Verteidiger das Rechtsmittel eingelegt hatte, hinderte die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichtes nicht. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BGH geht der erklärte Wille des Angeklagten den Erklärungen seines Verteidigers stets vor.

Der BGH hatte auch keine Bedenken gegen die Form der Rücknahmeerklärung des Angeklagten. Das Schreiben war zwar von einem Mitangeklagten geschrieben worden. Allerdings hatte der Angeklagte das Schreiben eigenhändig unterzeichnet. Dies hatte ein freibeweislicher Abgleich mit der Unterschrift des Angeklagten in seiner Beschuldigtenvernehmung bestätigt.

Dem Argument, der Angeklagte habe eine Erklärung unterschrieben, die ihm wegen unzureichender Sprachkenntnisse unbekannt gewesen sei, folgte der BGH nicht. Der Angeklagte halte sich bereits vierzig Jahre im Bundesgebiet auf und sei auch beruflich langjährig eingebunden. Zudem seien im Ermittlungsverfahren weder bei der Beschuldigtenvernehmung noch bei Verteidigergesprächen mangelnde Sprachkenntnisse offenbar geworden. Auch in der Haftprüfung habe der Angeklagte Deutsch gesprochen und soll dabei den deutlichen Eindruck erweckt haben, die Verfahrensabläufe zu verstehen. Zudem habe er sich in der Haftprüfung ohne Dolmetscher näher zur Sache eingelassen.

Die Revision wurde somit unwiderruflich mit dem Eingang des Schreibens des Angeklagten beim Gericht zurückgenommen.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin

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