NSU-Reihe: Die Zuständigkeit der Strafgerichte

Vielleicht haben Sie sich auch schon einmal gefragt, warum der NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München stattfindet? In unserer NSU-Reihe soll heute ein grober Überblick über die Zuständigkeiten deutscher Strafgerichte und den Instanzenzug bei Einlegung eines Rechtsmittels gegeben werden. Natürlich werden wir in diesem Zusammenhang auch klären, warum für das NSU-Verfahren ein Oberlandesgericht zuständig ist und warum der Prozess in München stattfindet.

Welche Strafgerichte gibt es in Deutschland und wann sind sie zuständig?

In Deutschland gibt es in Strafsachen das Amtsgericht, das Landgericht, das Oberlandesgericht (in Berlin wird dieses als „Kammergericht“ bezeichnet) und schließlich dem Bundesgerichtshof. Die erstinstanzliche Zuständigkeit richtet sich in der Regel dabei nach der Schwere der begangenen Tat. Die meisten Vorschriften zur Zuständigkeit sind im Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) zu finden.

Für welche Straftaten ist das Amtsgericht zuständig?

Handelt es sich um eine Straftat, bei der nicht mehr als vier Jahre Freiheitsstrafe erwartet werden, so ist das Amtsgericht zuständig, § 24 Abs. 2 GVG, soweit nicht eine Sonderzuweisung erfolgt.
Innerhalb des Amtsgerichts muss allerdings noch einmal zwischen dem Strafrichter als Einzelrichter und dem Schöffengericht differenziert werden.
Der Strafrichter ist für alle Vergehen zuständig, wenn die zu erwartende Freiheitsstrafe nicht mehr als zwei Jahre beträgt, vgl. § 25 GVG. Vergehen sind solche Straftaten, die eine Mindestfreiheitsstrafe unter einem Jahr vorsehen. Beträgt die angedrohte Strafe mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe, so handelt es sich um ein Verbrechen.
Für Verbrechen und für Vergehen, bei denen eine höhere Freiheitsstrafe als zwei Jahre zu erwarten ist, ist das Schöffengericht zuständig. Mehr als vier Jahre Freiheitsstrafe darf es jedoch nicht verhängen. Ein Schöffengericht besteht in der Regel aus einem Berufsrichter und zwei Schöffen, also zwei Laienrichtern, deren Stimme bei der Urteilsfindung genauso zählt wie die eines Berufsrichters.

Was kann man gegen Urteile des Amtsgerichts unternehmen?

Gegen die Urteile des Amtsgerichts kann sowohl Berufung zum Landgericht als auch Revision zum Oberlandesgericht, die sogenannte Sprungrevision nach § 335 StPO, eingelegt werden. Während das Verfahren bei der Berufung noch einmal von vorne beginnt, werden in der Revision keine neuen Tatsachen festgestellt. Es findet lediglich eine rechtliche Überprüfung des Urteils statt.

Für welche Straftaten ist das Landgericht zuständig?

Beträgt die zu erwartende Strafe mehr als vier Jahre oder soll die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder Sicherheitsverwahrung angeordnet werden, so ist das Landgericht zuständig, vgl. § 24 Abs. 1 Nr. 2 GVG. Ist eine der Taten aus den Katalogen des § 74 GVG einschlägig, so ist ebenfalls das Landgericht zuständig. Es entscheidet ferner über die Sache, wenn ihr die Staatsanwaltschaft eine besondere Bedeutung oder einen besonderen Umfang beimisst.
Über Fälle vor dem Landgericht entscheiden zunächst drei Berufsrichter und zwei Schöffen als „große Strafkammer“. In der Regel wird aber die große Strafkammer beschließen, dass lediglich zwei Berufsrichter und zwei Schöffen an der Entscheidung mitwirken werden.
Liegt ein Verbrechen aus dem Katalog des § 74 Abs. 2 GVG vor, so entscheidet das sogenannte „Schwurgericht“, das genau wie die originäre große Strafkammer aus drei Berufsrichtern und zwei Schöffen zusammengesetzt ist. Vorrangig verhandelt das Schwurgericht über Fälle, bei denen ein Mensch zu Tode gekommen ist.

Wurde gegen ein Urteil des Amtsgerichts Berufung eingelegt, so wird eine neue Verhandlung vor der kleinen Strafkammer des Landgerichts begonnen. Diese ist in der Regel mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt.

Wie kann man gegen Urteile der Landgerichte vorgehen?

Gegen Urteile der Landgerichte ist lediglich die Revision zulässig, für welche bei erstinstanzlichem Urteil der Bundesgerichtshof zuständig ist. War das Landgericht bereits als Berufungsinstanz zuständig, wird über die Revision durch das Oberlandesgericht entschieden.

Wann sind Oberlandesgerichte zuständig und warum ist für das NSU-Verfahren das Oberlandesgericht München zuständig?

Das Oberlandesgericht, das wie schon erwähnt in Berlin als Kammergericht bezeichnet wird, ist nach § 120 GVG in erster Instanz bei sogenannten Staatsschutzdelikten zuständig. Dies sind solche, bei denen die Sicherheit der Bundesrepublik durch insbesondere politisch motivierte Taten gefährdet ist. Hierzu zählen beispielswiese Hochverrat oder Bildung einer terroristischen Vereinigung. Zudem betrifft dies schwere Straftaten, wie beispielsweise Mord, Totschlag oder Menschenraub, bei denen die Sicherheit der Bundesrepublik gefährdet ist und der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles die Ermittlungen übernommen hat.

In der Regel entscheidet das Oberlandesgericht in einer Besetzung von fünf Berufsrichtern.
Das NSU-Verfahren soll klären, ob Beate Zschäpe für die zehn begangenen Morde als Mitglied der Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ mitverantwortlich ist. Da es sich bei der sogenannten NSU um eine terroristische Vereinigung handelt und die Opfer der Mordanschläge überwiegend türkischstämmige Bürger waren, ist die Staatsschutzkammer des Oberlandesgerichts zuständig. Der Prozess findet in München statt, weil fünf der zehn Morde in Bayern verübt wurden.
Neben Staatsschutzdelikten ist das Oberlandesgericht für die Sprungrevision zuständig, die gegen ein Urteil des Amtsgerichts eingelegt wurde. Außerdem entscheidet es über Urteile, die das Landgericht als Berufungsinstanz getroffen hat, vgl. § 121 GVG.

Was kann man gegen Urteile der Oberlandesgerichte tun?

Gegen die erstinstanzlichen Urteile des Oberlandesgerichts kann Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt werden, § 135 Abs. 1 GVG. Da das NSU-Verfahren in der ersten Instanz vor dem Oberlandesgericht stattfindet, besteht auch hier die Möglichkeit, Revision einzulegen, über die dann der Bundesgerichtshof zu entscheiden hätte.

Wann ist der Bundesgerichtshof zuständig?

Wie schon erläutert ist der Bundesgerichtshof nach § 135 GVG zuständig für Überprüfung der erstinstanzlichen Urteile der Oberlandesgerichte und der Landgerichte. Die einzelnen Senate, die beim Bundesgerichtshof angesiedelt sind, entscheiden über die Sache mit fünf Berufsrichtern.

Das könnte dich auch interessieren …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert