Neues zum Ladendiebstahl: Sicherungsspinne als Schutzvorrichtung gegen Wegnahme bei einem besonders schweren Fall des Diebstahls

Bei den Diebstahlsdelikten ist regelmäßig besondere Sorgfalt nötig, um einen Sachverhalt genau zu beurteilen. Das liegt darin begründet, dass jemandem selten einfach „nur so“ eine Sache weggenommen wird. Daher gibt es gerade im Bereich der Diebstahlsdelikte eine Fülle an Regelbeispielen und Qualifikationen, die verschiedene Begehungsweisen sanktionieren. So kann aus dem einfachen Diebstahl ein besonders schwerer Fall des Diebstahls, werden, wenn der Täter für die Tat in ein Gebäude eindringt. Auch sieht das Strafgesetzbuch einen Qualifikationstatbestand dafür vor, dass der Diebstahl mit einer Waffe oder bandenmäßig ausgeführt wurde.

Ein besonders schwerer Fall des Diebstahls wird weiterhin dadurch verwirklicht, dass der Täter eine Sache stielt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung besonders gesichert ist, § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB. Im vorliegenden Verfahren setzte sich der Bundesgerichtshof im Urteil vom 26. Juni 2018 – 1 StR 79/18 mit der Frage auseinander, ob eine Sicherungsspinne als eine solche Schutzvorrichtung zu qualifizieren und ein Fall des besonders schweren Diebstahls anzunehmen ist.

Für die Verwirklichung des besonders schweren Falls des Diebstahls muss der Beschuldigte zunächst den Grundtatbestand des einfachen Diebstahls verwirklicht haben. Ein einfacher Diebstahl ist dann gegeben, wenn jemand einer anderen Person eine für ihn fremde Sache wegnimmt. Dazu muss er den Gewahrsam der anderen Person brechen und eigenen Gewahrsam begründen. Unter Gewahrsam ist die tatsächliche Sachherrschaft eines Menschen über eine Sache, getragen von einem Herrschaftswillen, zu verstehen. Der Bruch des Gewahrsams liegt in der Regel schon in einem Einstecken der Sache begründet.

In § 243 Abs. 1 StGB werden dann Regelbeispiele genannt, deren Verwirklichung einen besonders schweren Fall des Diebstahls begründen. Im hier relevanten zweiten Fall von
§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB geht es um Schutzvorrichtungen. Schutzvorrichtungen sind solche Vorrichtungen, die nach ihrer Beschaffenheit dazu geeignet und bestimmt sind, die Wegnahme einer Sache erheblich zu erschweren. Es reicht nicht aus, dass die Schutzvorrichtung erst wirksam wird, wenn der Gewahrsam bereits gebrochen ist. Vielmehr muss die Schutzvorrichtung schon den Bruch des Gewahrsams verhindern. Wichtig ist, dass die Schutzvorrichtung funktionsfähig und aktiv ist. Ein offener Tresor beispielsweise ist daher keine Schutzvorrichtung in diesem Sinne mehr.

Ob eine Sicherungsspinne als Schutzvorrichtung in diesem Fall gewertet werden kann, war hier vom Bundesgerichtshof zu beantworten. Der Beschuldigte hatte in einem Kaufhaus zwei Tablets entwendet und wurde beim Ladendiebstahl erwischt. Beim ersten Tablet schnitt er den Draht der Sicherungsspinne mit einem Messer durch, entfernte die Verpackung und ließ das Tablet von einem weiteren Beschuldigten einstecken. Beim zweiten Tablet ließ sich die Sicherungsspinne auch ohne Messer entfernen. Bei einer Sicherungsspinne handelt es sich um einen Elektrodraht, der ein Signal abgibt, sobald er durchtrennt wird oder wenn er die Verkaufsräume verlässt.

Der Bundesgerichtshof entschied, dass es für eine Schutzvorrichtung im Sinne des § 243 Abs. 1 StGB darauf ankommt, dass der Draht beim Durchschneiden einen Alarm auslöst, da nur in diesem Fall durch das Ertönen des Alarms die Wegnahme tatsächlich verhindert werden soll. Wird der Alarm hingegen erst ausgelöst, wenn der Beschuldigte das Kaufhaus bereits verlässt, liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes keine Schutzvorrichtung vor. Denn in diesen Fällen dient der ausgelöste Alarm wie ein Sicherungsetikett nicht mehr der Verhinderung des Gewahrsamsbruchs, sondern der Wiedererlangung der Beute. Gleiches gilt, wenn überhaupt kein Signalton ertönt, da die Sicherungsspinne dann mit einem geöffneten Tresor oder einem offenen Schloss vergleichbar ist, bei dem die Schutzvorrichtung nicht aktiviert ist.

Das Landgericht als Vorinstanz hatte einen besonders schweren Fall des Diebstahls abgelehnt, weil es die Sicherungsspinne mit einer Sicherungsetikette gleichsetzte. Es hätte aber festgestellt werden müssen, ob die Sicherungsspinne beim Durchtrennen einen Ton abgegeben hätte oder erst beim Verlassen des Kaufhauses. Die Erörterung dieser Möglichkeiten oder dass die Sicherungsspinne defekt war, hatte das Landgericht nicht festgestellt. Dadurch war eine Überprüfung des Urteils durch den Bundesgerichtshof nicht möglich und führte zur Aufhebung des Urteils. Insbesondere solle so einer neuen Strafkammer des Landgerichts ermöglicht werden, widerspruchsfreie Feststellungen, insbesondere im Hinblick auf die Sicherungsspinne, zu treffen.

Rechtsanwalt Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin

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