Keine Urkundenfälschung beim Fahren mit einem abgelaufenen Versicherungskennzeichen

Kleinkrafträder brauchen, im Gegensatz zum Auto, keine Zulassung. Wer einen Roller, ein Mofa oder ein Moped fahren will, benötigt aber ein gültiges Versicherungskennzeichen. Das Versicherungskennzeichen bestätigt, dass ein Versicherungsvertrag für das jeweilige Jahr vorliegt. Doch was passiert, wenn man ohne oder mit einem abgelaufenen Versicherungskennzeichen fährt? Zumindest macht man sich nicht wegen Urkundenfälschung strafbar, wie das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz in seinem Beschluss vom 19.05.2016 – 2 OLG 4 Ss 158/15 entschieden hat.

Der Angeklagte hatte an einem nicht angemeldeten Motorroller ein für das Jahr 2009 gültiges Versicherungskennzeichen angebracht. An sich unproblematisch, wenn der Angeklagte den Motorroller nur im Gültigkeitszeitraum genutzt hätte. Das falsche Versicherungskennzeichen fiel aber auf, als der Angeklagte vor zwei Jahren in einen Unfall mit einem Radfahrer verwickelt war. Der Angeklagte wurde aufgrund dieses Sachverhaltes unter anderem wegen Urkundenfälschung verurteilt.

Nachdem der Angeklagte mit seiner Berufung scheiterte, legte er Revision zum OLG Koblenz ein. Dieses schloss sich der rechtlichen Bewertung der Vorinstanzen nicht an und verneinte eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Urkundenfälschung nach § 267 StGB.

Der Urkundenbegriff: Eine Urkunde ist jede verkörperte menschliche Gedankenerklärung, die zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist und ihren Aussteller erkennen lässt. Damit hat die Urkunde drei Funktionen: Perpetuierungs-, Beweis- und Garantiefunktion.

Nach Ausführungen des OLG Koblenz erfüllt ein Versicherungskennzeichen diese Merkmale, wenn es an dem Fahrzeug angebracht wird. Denn Versicherungskennzeichen seien dazu bestimmt, den Nachweis für das Bestehen eines dem Pflichtversicherungsgesetz entsprechenden Haftpflichtversicherungsvertrags zu erbringen. Der Versicherer händige dem Versicherungsnehmer das Versicherungskennzeichen ausschließlich zur Anbringung an dem im Versicherungsvertrag bezeichneten Fahrzeug aus. Durch die Verbindung des Versicherungskennzeichens mit dem versicherten Fahrzeug entsteht dann, vergleichbar mit dem Kennzeichen am Auto, eine zusammengesetzte Urkunde. Diese Urkunde beinhaltet die Erklärung des Versicherers, dass gerade für dasjenige Fahrzeug, an dem sich das Kennzeichen befindet, ein Haftpflichtversicherungsvertrag abgeschlossen ist.

Wer also, wie das OLG Koblenz ausführt, ein Versicherungskennzeichen an einem anderen Fahrzeug als demjenigen anbringt, für das es ausgegeben wurde, überschreitet nicht nur die ihm vom Versicherer erteilte Ermächtigung, sondern begeht eine Urkundenfälschung. Denn durch das Anbringen des Versicherungskennzeichens an einem anderen Fahrzeug wird eine unechte Urkunde hergestellt, § 267 Abs. 1 Alt. 1 StGB.

Auch wer Manipulationen am Versicherungskennzeichen vornimmt, um darüber zu täuschen, dass ein gültiges Versicherungsverhältnis besteht, begeht eine Urkundenfälschung in Form des Verfälschens einer echten Urkunde nach § 267 Abs. 1 Alt. 2 StGB. Dies kann etwa durch das ändern der Farbe des Versicherungskennzeichens geschehen.

Das Verhalten des Angeklagten stellt jedoch nach Ansicht des OLG Koblenz keine Urkundenfälschung dar. Denn der Angeklagte brachte das Versicherungskennzeichen an dem Motorroller an, für den es ursprünglich ausgegeben wurde. Er stellte demnach keine unechte Urkunde her. Aber auch das Verfälschen einer echten Urkunde ist nach den Ausführungen des OLG Koblenz nicht erfüllt. Denn dazu hätte der Angeklagte den Erklärungsinhalt – das Vorliegen eines Haftpflichtversicherungsvertrags für das Jahr 2009 – verändern müssen. Manipulationen an dem Versicherungskennzeichen wurden jedoch von den Vorinstanzen nicht festgestellt, sodass auch das Verfälschen einer echten Urkunde ausschied.

Außerdem kam eine Strafbarkeit wegen Kennzeichenmissbrauchs nach § 22 StVG nicht in Betracht, weil es sich bei Versicherungskennzeichen nicht um amtliche Kennzeichen im Sinne dieser Vorschrift handelt.

Ganz straflos dürfte das Fahren mit einem abgelaufenen Kennzeichen jedoch nicht sein. Denn zumindest ein Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz kommt in Betracht, wenn man ohne gültige Haftpflichtversicherung unterwegs ist.

Rechtsanwalt Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht aus Berlin

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3 Antworten

  1. Vanessa sagt:

    Richtig, wobei § 6 Abs. 3 PflVG natürlich eine Ermessensnorm ist, bei der es auf den Einzelfall ankommt. Zwingend ist das Roller weg somit nicht.

  2. morphium sagt:

    D.h. § 6 PflVG, insb. auch Abs. 3? Also Roller weg, damit ers lernt?

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