Familiendrama – Totschlag oder Mord?

Die schwersten Straftaten im Strafgesetzbuch (StGB) stellen Mord (§ 211 StGB) und Totschlag in besonders schweren Fällen (§ 212 Abs. 2 StGB) dar. Für die Bestimmung, ob es sich um Mord oder Totschlag handelt, kommt es auf die Mordmerkmale an. Daher gehört das Verständnis der Mordmerkmale zum Grundlagenwissen für angehende Juristen dazu.

Zu den Mordmerkmalen gehören unter anderem das Mordmerkmal der Heimtücke und das der niedrigen Beweggründe. In seinem Beschluss vom 25. Januar 2023 musste sich der Bundesgerichtshof (6 StR 163/22) mit diesen in Bezugnahme auf den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung nach § 261 StPO beschäftigen. Dieser legt fest, dass über das Ergebnis der Beweisaufnahme das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung entscheidet.

Dem vorliegenden Sachverhalt nach, trennte sich die Nebenklägerin vom Angeklagten und zog mit der gemeinsamen Tochter aus dem Haus aus. Jedes zweite Wochenende wohnte die Tochter nach der Trennung beim Angeklagten. An einem dieser Wochenenden drückte der Angeklagte die gemeinsame Tochter mit Tötungsabsicht in die gefüllte Badewanne, sodass sie das Bewusstsein verlor. Daraufhin würgte er sie, bis der Tod des Kindes eintrat. Anschließend unternahm der Angeklagte einen Suizidversuch. Der Angeklagte wurde vom Landgericht Cottbus dafür wegen Totschlags verurteilt.

Der Bundesgerichtshof war mit der Ablehnung der Mordmerkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe im hiesigen Fall nicht einverstanden.

Das Landgericht Cottbus hatte die Heimtücke abgelehnt, da es nicht auszuschließen sei, dass der Angeklagte seiner Tochter feindselig gegenübertrat. Auch habe sich kein bewusstes Ausnutzen einer auf Arglosigkeit beruhenden Wehrlosigkeit feststellen lassen. Der Bundesgerichtshof stellt in seinem Beschluss jedoch fest, dass es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz und auch sonst nicht geboten sei, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte vorliegen. Die Annahmen des Landgerichts seien rein spekulativ. Zudem sprechen vielmehr Umstände, wie die fehlenden Abwehrverletzungen des Kindes, gegen eine offene Feindseligkeit des Angeklagten. Folglich halten die Erwägungen, mit denen die Voraussetzungen der Heimtücke verneint wurden, rechtlicher Prüfung nicht stand.

Bezüglich der Ablehnung der niedrigen Beweggründe führt der Bundesgerichtshof aus, dass ein im vorliegenden Fall naheliegendes Motiv sei, dass der Angeklagte seine Ex-Frau durch die Tötung des Kindes bestrafen wollte. Dieser Verdacht drängte sich auf, da der Angeklagte der Nebenklägerin am gleichen Tag eine Nachricht schickte, in der er ihr vorwarf, sein Leben kaputt gemacht zu haben. Dieses Motiv würde zum Vorliegen von niedrigen Beweggründen führen, womit sich das Landgericht jedoch nicht ausreichend beschäftigt hat.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg

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