Ampel wird nicht grün – trotzdem Rotlichtverstoß?

Auch das Überfahren einer roten Ampel mit dem Fahrrad kann zu nicht unbeachtlichen Konsequenzen führen. Ein Rotlichtverstoß mit dem Fahrrad stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und wird mit 60,00 € Bußgeld sowie einem Punkt geahndet. Wenn die Ampel bereits länger als eine Sekunde rot war, erhöht sich das Bußgeld auf 100,00 €. Auch bei einer Gefährdung, einem Unfall oder einer Sachbeschädigung erhöht sich das Bußgeld entsprechend.

Doch ob auch ein Rotlichtverstoß angenommen werden kann, wenn die Ampelanlage dauerhaft rot zeigt, hatte das Oberlandesgericht Hamburg (5 ORbs 25/23) in seinem Beschluss vom 11. September 2023 zu beurteilen. Die betroffene Fahrradfahrerin hielt vor der roten Ampel an und wartete mehrere Minuten lang, ohne dass die Ampel umschaltete. Dann fuhr sie schließlich über die rote Ampel. Die Ampel war nicht defekt, jedoch war sie mit einer Kontaktschleife ausgestattet, die nicht auf grün schaltete.

Für das Amtsgericht Hamburg wurde durch das Überfahren der roten Ampel ein qualifizierter Rotlichtverstoß gemäß §§ 37 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 und 6, 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO in Verbindung mit § 24 StVG verwirklicht, sodass es gegen die Betroffene eine Geldbuße in Höhe von 100,00 € verhängte. Dazu führte es begründend aus, dass die Ampelanlage nicht defekt gewesen sei und es ihr zudem möglich gewesen sei, vom Fahrrad abzusteigen und die nur wenige Meter entfernte Fußgängerampel zu betätigen und zu benutzen.

Dem stimmt das Oberlandesgericht Hamburg jedoch nicht zu. Ein vorsätzlicher Rotlichtverstoß ist demnach bereits auf Grundlage der amtsgerichtlichen Feststellungen ausgeschlossen, da sich die Betroffene in einem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum befand. Wenn eine Ampelanlage aufgrund einer technischen Funktionsstörung dauerhaft Rot zeigt, so ist der darin liegende Verwaltungsakt nichtig. Davon ging die Radfahrerin vorliegend aus.  Zudem habe das Amtsgericht verkannt, dass die Betroffene als Radfahrerin und nicht als Fußgängerin am Verkehr teilgenommen hat, sodass sie nicht dazu verpflichtet war, die Fußgängerampel zu benutzen. Es muss laut Beschluss des Oberlandesgerichts in einer erneuten Verhandlung festgestellt werden, ob eine Verurteilung wegen eines fahrlässigen Rotlichtverstoßes in Betracht kommt, wenn die Kontaktschleife durch Fahrradfahrende ausgelöst werden konnte und die Annahme einer defekten Ampelanlage auf Fahrlässigkeit der Betroffenen beruhte.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg

Das könnte dich auch interessieren …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert