Ungerechter Rächer richtet ohne Reue
Die Tatort-Pause ist vorbei. Am 06. September 2015 haben sich zuerst die Kommissare aus Luzern (Schweiz) zurückgemeldet – und werden nicht geschont. Denn ein unberechenbarer Scharfschütze richtet täglich einen Menschen auf offener Straße hin. Die Polizei geht von einem Serientäter aus, kennt aber die Verbindung noch nicht. Dennoch ist klar, dass es sich um Morde handelt. Artikel 112 des Schweizerischen Strafgesetzbuches beschreibt Mord als eine Tötung, bei der der Täter besonders skrupellos handelt oder sein Beweggrund, der Zweck der Tat oder die Art der Ausführung der Tat besonders verwerflich ist.
Später finden die Kommissare Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) heraus, dass alle getöteten Personen Beschuldigte in einem Strafverfahren waren, es bislang jedoch zu keinem Prozess gekommen ist. Die Justiz ist überlastet, die Taten liegen schon drei oder vier Jahre zurück. Nun scheint der Killer das Urteil selbst zu sprechen – mit ganz eigenen Worten. Denn er verwendet besondere Munition, welche den Opfern schwerste Verletzungen zufügt und ein grausames Bild der Entstellung hinterlässt. In den Projektilen ist ein § eingraviert.
Solche Munition kann man sicher nicht an jeder Ecke kaufen. Daher liegt es nahe, dass der Täter das Paragraphenzeichen selbst eingraviert, sich also in Technik-Fragen besonders gut auskennt. Es war mithin nur eine Frage der Zeit, bis die Kommissare dem markanten Automechaniker Simon Amstad (Antoine Monot jr.) auf die Schliche kommen.
Amstad hat sich selbst zum Richter ernannt und betreibt nun Selbstjustiz, indem er den Strafprozess erheblich abkürzt und die Beschuldigten, von deren Schuld er überzeugt ist, aus seinem Auto heraus erschießt. Gefangen in seiner ganz eigenen Gerechtigkeitsvorstellung hat er aber tatsächlich nicht nur eine besonders verwerfliche Motivation entwickelt, sondern mit dem Verwenden von Dumdum-Munition eine ebenso verwerfliche Art der Tatausführung angewandt.
Bei Dumdum-Munition handelt sich „um „Geschosse, die sich leicht im Körper des Menschen ausdehnen oder flachdrücken, insbesondere Geschosse mit einem harten Mantel, der den Kern nicht ganz umschließt oder mit Einschnitten versehen ist.“ Ihre Verwendung kann im Rahmen eines bewaffneten Konflikts Kriegsverbrechen darstellen. Artikel 8 Abs. 2 b) xix) IStGH-Statut und § 12 Abs. 1 Nr. 3 VStGB verbieten Dumdum-Geschosse ausdrücklich.
Aus einer Patrone wird eben auch dann kein gerechtes Werkzeug der Rache, wenn man ein Paragraphenzeichen eingraviert. Hoffen wir, dass sich die Justiz in Luzern bald aus ihrer Überlastung befreit.