Mutwillige Anklage?

Gibt es eine Anklage, in welcher die Staatsanwaltschaft andere Zwecke verfolgt, als den Täter seiner gerechten Strafe zu zuführen? Man könnte der Auffassung sein, dass zumindestens der Gesetzgeber dieser Auffassung ist. Der Nebenkläger kann sich unter den Voraussetzungen des § 397a Abs. 2 StPO eines Rechtsbeistandes bedienen, der unter den Voraussetzungen der zivilrechtlichen Prozesskostenhilfe dem Geschädigten beigeordnet wird. Nach § 397 a Abs. 2 Satz 2 StPO ist § 114 Satz 1 zweiter Halbsatz ZPO nicht anzuwenden. Nach § 114 Satz 1 erster Halbsatz der ZPO wird Prozesskostehilfe bewilligt, wenn nach Halbsatz zwei die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht...

Hoffnung hinter Gittern

Ein Gastbeitrag von Claire Dourlen, Jurastudentin an der Humboldt-Universität zu Berlin Teil 3 Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, Urt. v. 17.12.2009 – 19359/04, NJW 2010, 2495 ff.) Der Beschwerdeführer wurde 1986 vom LG Marburg wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit Raub zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Anschließend wurde seine Unterbringung in die Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Höchstfrist der Sicherungsverwahrung betrug nach dem zum Zeitpunkt der Verurteilung geltenden § 67 d Abs. 1 StGB bei erstmaliger Unterbringung zehn Jahre. Diese Frist wurde 1998 gestrichen. Das Bundesverfassungsgericht – BVerfGE 109, 133 – NJW 2004, 739 – entschied, dass die erfolgte...

Hoffnung hinter Gittern

Ein Gastbeitrag von Claire Dourlen, Jurastudentin an der Humboldt-Universität zu Berlin Teil 2 Die vorbehaltene Sicherungsverwahrung Die Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung im Sinne von § 66 a StGB kam in Betracht, wenn bei dem Täter einen Hang zu erheblichen Straftaten vorlag, die von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB geforderte Gefährlichkeit jedoch „nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar“ war. Dies ist der Fall gewesen, wenn eine erhebliche, nahe liegende Wahrscheinlichkeit dafür festgestellt wurde, dass der Täter für die Allgemeinheit gefährlich war und dies auch zum Zeitpunkt einer möglichen Entlassung noch sein würde. Formell wurde darüber hinaus eine Anlassverurteilung wegen einer der in § 66...

Was passiert, wenn der Angeklagte nicht zur Verhandlung erscheint – Teil 3

Ein Gastbeitrag von Nika Telysheva, Jurastudentin an der Freien Universität Berlin Teil 3 Anwesenheit bei der Berufung und Einspruch Wenn man eine Berufung bzw. einen Einspruch gegen einen Strafbefehl einlegt, wird es natürlich erwartet, dass derjenige, der das Rechtsmittel eingelegt hat sich für die Endentscheidung interessiert und deswegen auch zur Verhandlung erscheint oder zumindest seinen Vertreter in den zulässigen Fällen beauftragt. Erscheint weder der Angeklagte noch sein bevollmächtigter Vertreter, so wird die Berufung gemäß § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO ohne Verhandlung zur Sache verworfen. Für den Einspruch gilt § 329 gemäß § 412 Satz 1 entsprechend. Deswegen empfiehlt...

Strafbarkeit beim Entfernen des Simlocks

Nach einem Bericht des Magazins Stern hat das Amtsgericht Göttingen entschieden, dass das Entfernen der Bindung an einen bestimmten Mobilfunk-Anbieter (Simlock) eine Fälschung beweiserheblicher Daten gem. § 269 StGB darstellen würde. Nach § 269 StGB macht sich strafbar, wer zur Täuschung im Rechtsverkehr beweiserhebliche Daten so verändert, dass bei Ihrer Wahrnehmung eine unechte oder verfälschte Urkunde vorliegen würde. Der Verteidiger soll argumentiert haben, dass es sich bei der Simlocksperre lediglich um eine Nutzungssperre, nicht aber um Daten im Sinne von § 269 StGB, handeln würde. Sollte die Entscheidung in den Instanzgerichten bestätigt werden, wird sie sich wohl in vielen Klausuren...

Eilmeldung: BVerfG erklärt Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat heute alle Regelungen über die Sicherungsverwahrung in ihrer derzeitigen Form für verfassungswidrig erklärt. Das gilt sowohl für die nachträgliche Anordnung, die gegen das Rückwirkungsverbot (nullum crimen, nulla poena sine lege praevia) als auch für die Reform der „normalen Regeln“ von 2010. Zu den Entscheidungsgründen auf tagesschau.de. Dort gibt es auch die Urteilsverkündung im Video-Stream. Hier gibt es einen aktuellen Beitrag zur Sicherungsverwahrung auf diesem Blog.

Hoffnung hinter Gittern

Ein Gastbeitrag von Claire Dourlen, Jurastudentin an der Humboldt-Universität zu Berlin Die Sicherungsverwahrung im Sinne von §§ 66 ff. StGB galt als eine der schwersten und umstrittensten Rechtseingriffe der deutschen Rechtsordnung. Es handelt sich gemäß § 61 StGB um eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung. Sie wird neben einer Freiheitsstrafe, die stets zuerst verbüßt wird, angeordnet. Im Gegensatz zu der normalen Straftat knüpft sie lediglich an die Gefährlichkeit des Straftäters für die Allgemeinheit an. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung muss auf eine besonders schwere Straftat (sog. Anlasstat) zurückzuführen sein. „Wegschliessen- und zwar für immer!“ forderte 2001 der ehemalige Bundeskanzler Gerhard...