Lebenslänglich für Kindesentführung
Im letzten Leipziger Tatort vom 26. April 2015 mit den Hauptkommissaren Eva Saalfeld (Simone Thomalla) und Andreas Keppler (Martin Wuttke) dominieren „niedere Instinkte“ das Geschehen. Das Ehepaar Prickel kann keine eigenen Kinder bekommen, daher entführt der Lehrer Wolfgang Prickel (Jens Albinus) die kleine Magdalena und nimmt sie mit zu sich nach Hause. Dort soll das Mädchen von nun an die Tochter sein, die das Paar nie hatte.
Als die polizeilichen Ermittlungen Fahrt aufnehmen und im Radio von groß angelegten Suchaktionen und geplanten DNA-Massengentests im Sinne des § 81h StPO berichtet wird, bekommt Prickel Panik. Sein Instinkt sagt ihm, dass die Verschleppung des kleinen Mädchens eine höchststrafwürdige Tat ist. „Dafür gibt’s lebenslänglich“, sagt er zu seiner Frau. Aber stimmt das wirklich?
Schaut man den Abschnitt des Strafgesetzbuches über Straftaten gegen die persönliche Freiheit (§§ 232 ff. StGB) durch, dann stellt man fest, dass weder die Vorschrift über den Menschenraub (§ 234) noch über die Verschleppung (§ 234a), die Entziehung Minderjähriger (§ 235) oder Freiheitsberaubung (§ 239) eine lebenslange Freiheitsstrafe androht. Im vorliegenden Fall liegt wohl am ehesten eine Entziehung Minderjähriger gem. § 235 StGB vor, da der Lehrer Prickel eine Person unter achtzehn Jahren mit Gewalt den Eltern entzieht (Abs. 1 Nr. 1) und dabei auch nicht Angehöriger ist (Abs. 1 Nr. 2). Diese Tat wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Dem Entführer Prickel droht konkret sogar eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, weil er durch die Kindesentführung das kleine Mädchen in die Gefahr einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung bringt (Abs. 4 Nr. 1).
In beiden Fällen droht jedenfalls keine lebenslange Freiheitsstrafe. Das meinte Prickel aber auch gar nicht. „Dafür gibt’s Sicherungsverwahrung – für immer“, ergänzt er. Die Sicherungsverwahrung ist aber keine Strafe für eine begangene Tat. Sie ist gem. § 61 Nr. 3 i.V.m. § 66 StGB eine Maßregel der Besserung und Sicherung. Die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung neben der Strafe erfolgt durch das Gericht und wäre im Fall von Prickel grundsätzlich möglich, sofern er im Sinne des § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. a) zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die sich gegen die persönliche Freiheit richtet. Das wäre hier möglich (s.o.). Allerdings müssten zudem auch noch die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB vorliegen, nämlich der Hang zu erheblichen Straftaten, wodurch der Täter für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Zu einer etwaigen Verurteilung des Lehrers Prickel kommt es dann aber gar nicht mehr, da er sich im Badezimmer eine Zigarette anzündet und dadurch eine für ihn tödliche Explosion verursacht. Seine Frau sagt später zu Kommissar Keppler, sie habe zuvor die Gastherme „mit Bohrmaschine und Hammer repariert“. Geht man davon aus, dass dieses zweifelhafte Vorgehen dazu dienen sollte, ihren Mann zu töten, dann läge hier wohl ein Mord gem. § 211 StGB vor. Ging es ihr auch um das vorsätzliche Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, dann ist zudem der Tatbestand des § 308 StGB erfüllt. In diesem Fall gibt’s dann tatsächlich eine lebenslange Freiheitsstrafe. Der § 211 StGB sieht diese für Mord ausnahmslos vor. Im Falle des § 308 Abs. 3 StGB, nämlich wenn durch die Explosion ein Mensch getötet wird, ist ihre Verhängung ebenso möglich.
Insofern könnte man sagen, hat Prickel mit seiner Angst vor dem Lebenslänglich doch Recht behalten. Allerdings dürfte ihm das aufgrund seiner „gespaltenen Persönlichkeit“, wie der Rechtsmediziner mit einem für diesen Beruf nicht ganz untypischen Sinn für Humor sagt, nun egal sein.