Kachelmann wieder in Freiheit

Das Oberlandegericht Karlsruhe hat laut Bericht von focus online auf die Haftbeschwerde den Haftbefehl aufgehoben. Rechtsanwalt Birckenstock, als Verteidiger von Herrn Kachelmann, begrüßte diese Entscheidung.

Das Gericht soll die Aufhebung damit begründet haben, dass kein dringender Tatverdacht gem. § 112 StPO mehr vorliegt.

Ein dringender Tatverdacht ist gegeben, wenn die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass der Beschuldigte Täter einer Straftat ist. Die Prognose, dass eine Verurteilung wahrscheinlich ist, ist nicht erforderlich. Ausreichend ist die Möglichkeit einer Verurteilung. Nach der allgemeinen Definition ist der Verdachtsgrad stärker als der hinreichende Tatverdacht gem. § 203 StPO.

Das Gericht darf die Eröffnung des Hauptverfahrens gem. § 203 StPO nur beschließen, wenn der Beschuldigte, oder genauer der Angeschuldigte gem. § 157 StPO, einer Straftat hinreichend verdächtig ist. Der hinreichende Tatverdacht setzt voraus, dass eine Verurteilung wahrscheinlich ist.

Ohne dass mir der Inhalt des Beschlusses bekannt ist, erscheint es schwierig, vom hinreichenden Tatverdacht gem. § 203 StPO auszugehen, den dringenden Tatverdacht aber abzulehnen.

Die Entscheidung mag dem Umstand geschuldet sein, dass eine „Aussage gegen Aussage“ Situation vorliegt. Einziges belastendes Beweismittel ist die Aussage des mutmaßlichen Opfers. In einem solchen Verfahren sind gesteigerte Anforderungen an die Glaubhaftigkeit der Aussage eines Opfers zu stellen. Ein wesentliches Kriterium zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit ist die Aussagekonstanz.

Werden durch einen Geschädigten unterschiedlichste Sachverhaltsdarstellungen geschildert, spricht dies gegen die Glaubhaftigkeit einer Aussage.

Vorliegend wurden durch das vermeintliche Opfer unterschiedliche Angaben zum Tathergang gemacht.

Dieser Umstand mag das Oberlandegericht dazu bewogen haben, wenigstens den Haftbefehl aufzuheben.

Man wollte sich wohl nicht dem regelmäßigen Vorwurf ausgesetzt sehen, dass Untersuchungshaft Rechtskraft schafft. Inhaftierte Mandanten sehen sich häufig gezwungen, einem vom Gericht vorgeschlagenem Deal zuzustimmen.

Wie lange Herr Kachelmann in Freiheit bleiben wird, wird das im September geginnende Verfahren zeigen.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Berlin

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Eine Antwort

  1. Eventuell ist es auch nur eine Frage des Zeitpunkts. Während der hinreichende Tatverdacht nur an zwei Punkten des Strafverfahrens – der Erhebung der öffentlichen Klage und der Eröffnung des Hauptverfahrens – vorliegen muss, ist der dringende Tatverdacht für die U-Haft zwingend ununterbrochen erforderlich. Mag also sein, dass der Verdacht zum Zeitpunkt der Eröffnung noch hinreichend war.

    Entscheidender wohl: Über den hinreichenden Tatverdacht entscheidet der Richter der Hauptsache, über den dringenden Tatverdacht (hier) das OLG. 4 Juristen – 5 Meinungen…

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