Die Verabredung zur Anstiftung zu einem Verbrechen gemäß § 30 Abs. 2 Var. 3 Alt. 2 StGB

Der Bundesgerichtshof (BGH) setzte sich in seinem Urteil (6 StR 179/23) vom 29. November 2023 mit der Verabredung zur Anstiftung zu einem Verbrechen gemäß § 30 Abs. 2 Var. 3 Alt. 2 StGBauseinander.

Der § 30 StGB lautet wie folgt:

(1) Wer einen anderen zu bestimmen versucht, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften, wird nach den Vorschriften über den Versuch des Verbrechens bestraft. Jedoch ist die Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. § 23 Abs. 3 gilt entsprechend.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sich bereit erklärt, wer das Erbieten eines anderen annimmt oder wer mit einem anderen verabredet, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Nach den Feststellungen suchte der Angeklagte L eine Person, die gegen Zahlung von bis zu 10.000,00  € bereit war, seinen Nachbarn so schwer zu verletzen, dass jener dauerhaft kein selbstbestimmtes Leben mehr würde führen können und daher als Pflegefall aus dem Nachbarhaus würde ausziehen müssen. L hielt es für möglich, dass der Täter den Nachbarn unter Ausnutzung von dessen Arg- und Wehrlosigkeit töten würde, was er billigend in Kauf nahm.

Da der Angeklagte L nicht die erforderlichen Kontakte hatte, sprach er im Sommer 2021 den Angeklagten H an, und beide „verabredete(n)“ eine gemeinsame Suche nach einem Täter, wobei H sich das Anliegen Ls, den Nachbar zu beseitigen, zu eigen machte, in der Folgezeit Absprachen mit Personen aus seinem Bekanntenkreis traf und den Kontakt zu L herstellte. L strebte eine Tatausführung vor Weihnachten an, weil er wegen der auf die Strafanzeigen des Nachbarn hin eingeleiteten Strafverfahrens befürchtete, alsbald verhaftet zu werden. Dem Angeklagt H war bewusst, dass gerade durch sein Tätigwerden ein Täter gefunden werden und es nach endgültiger Einigung und Beauftragung durch den Angeklagten L zu der Gewalttat kommen könnte. Es bestand zwischen den Angeklagten keine Abrede dahin, dass L eine von H vermittelte Person auf jeden Fall beauftragen würde. Ferner blieb es L unbenommen, eigenständig nach einem möglichen Täter zu suchen und diesen ohne Einbindung Hs zu beauftragen.

Nachdem H in Umsetzung der Abrede L drei Personen vermittelt hatte, erhielt er von einer unbekannt gebliebenen Person den Hinweis, dass die Polizei Kenntnis von der Tatplanung erhalten hatte, und teilte dies L mit. Dieser stellte daraufhin am 14. November 2021 seine Bemühungen wegen des Entdeckungsrisikos vorerst ein, was er H mitteilte, hielt sich ein „späteres Wiederaufgreifen der Verhandlungen über eine Beauftragung dritter Personen“ jedoch offen.

Das Landgericht Magdeburg hat eine Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung zu einem Verbrechen (§ 30 Abs. 1 S. 1 Var. 1 StGB) verneint. Gegen das Urteil legte die Staatsanwaltschaft Revision ein und hatte Erfolg.

Nach Ansicht der Karlsruher Richter halten die Freisprüche revisionsrechtlicher Nachprüfungen nicht stand. Die Urteilsgründe belegen die tatbestandlichen Voraussetzungen einer verabredeten Anstiftung im Sinne von § 30 Abs. 2 Var. 3 Alt. 2 StGB.  Diese setzte eine vom ernstlichen Willen getragene Einigung von mindestens zwei Personen voraus, gemeinschaftlich einen Dritten zur Begehung eines bestimmten Verbrechens anzustiften. Die in Aussicht genommene Tat müsse zumindest in ihren wesentlichen Grundzügen, nicht aber bereits in allen Einzelheiten festgelegt sein. Daher können – entsprechend der Absprache eines Tatplans zwischen Mittätern – Zeit, Ort und Modalitäten der Ausführung im Einzelnen noch offen sein, solange sie nicht völlig im Vagen bleiben, weil dann die Strafbarkeit zu weit ins Vorfeld der eigentlichen Tat vorgelagert würde. Darüber hinaus müsse der Übereinkunft der Täter das Versprechen mittäterschaftlicher Tatbeiträge zugrunde liegen. Unzureichend sei es, wenn ein Beteiligter lediglich als Gehilfe tätig werden wolle.

Daran gemessen tragen die Urteilsgründe eine verabredete Anstiftung, so der BGH. Die erstrebte Tat wurde anhand der sie kennzeichnenden Merkmale als konkret-individualisierbares Geschehens ernstlich verabredet. Dies gelte sowohl für das Bestimmen eines präsumtiven Täters als auch für die von diesem zu begehende Haupttat. Der BGH führte insoweit aus, dass nach der Abrede das Tatopfer, die in Betracht gezogene Begehungsweise bei der Bestimmung des präsumtiven Täters und das Tatmotiv fest standen. Dies gelte gleichermaßen für den Tatzeitraum. Denn die Tat sollte möglichst vor Weihnachten 2021 und ausgeführt werden, wenn die beiden Angeklagten ortsabwendend wären. Dem stünde auch nicht entgegen, dass im Zeitpunkt der Übereinkunft die Person des präsumtiven Täters nicht feststand und unklar war, ob überhaupt ein solcher gefunden und bestimmt werden könne. Hierbei handele es sich um vom Willen der Beteiligten losgelöste Bedingungen, denen mit Blick auf den Zweck der zeitlichen Vorverlagerung der Strafbarkeit nach § 30 Abs. 2 StGB keine Bedeutung zukomme. Die Angeklagten waren fest entschlossen, nach erfolgreicher Suche die tatgeneigte Person anzustiften. Gegenteiliges folge nicht daraus, dass nach den Feststellungen keine der von H vermittelten Personen beauftragt wurde. Denn diese erwiesen sich mangels Neigung, die Tat selbst auszuführen, als ungeeignet.

Unerheblich sei ferner, dass es nach der getroffenen Abrede dem präsumtiven Täter überlassen bleiben sollte, bei welcher geeigneten Gelegenheit und auf welche Weise er die Tat ausführen würde. Es genüge vielmehr, dass die Angeklagten diese Umstände billigend in Kauf nahmen. Denn bedingten Vorsatz in diesem Sinn habe ein Straftäter auch dann, wenn er aus Gleichgültigkeit mit jeder eintretenden Möglichkeit einverstanden sei.

Nach Auffassung der Karlsruher Richter belegen die Urteilsgründe auch ein gemeinschaftliches Vorgehen der Angeklagten. Dabei sollte H, der sich das Interesse Ls an der Tötung des Nachbarn „zu eigen gemacht“ hatte, ein wesentlicher Tatbeitrag zukommen. Er verfügte über Beziehungen ins kriminelle Milieu, die er absprachegemäß nutzen sollte, um geeignete Personen anzusprechen. Der Angeklagte L verfügte über solche Verbindungen nicht. Entgegen der Annahme des LG Magdeburg sei vor diesem Hintergrund auch der Umstand ohne Bedeutung, dass Gegenstand der Abrede nicht war, in jedem Fall gemeinsam auf mögliche Täter zuzugehen. Vielmehr begründe schon die Willensbildung der Beteiligten eine Gefahr für das durch die vorgestellte Tat bedrohte Rechtsgut, weil bereits die wechselseitige psychische Bindung den Anstifterversuch und die Begehung der Haupttat wahrscheinlicher mache.  

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht in Berlin-Kreuzberg

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