Die Rechtswidrigkeit der erstrebten Bereicherung bei der räuberischen Erpressung gemäß §§ 253, 255 StGB
Sowohl in der Praxis als auch in der juristischen Ausbildung spielt der Tatbestand der räuberischen Erpressung gemäß §§ 253, 255 StGB eine wichtige Rolle.
In dem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 06. Dezember 2022 (2 StR 223/22) ging es darum, dass das Landgericht Hanau die Angeklagten unter anderem wegen versuchter räuberischer Erpressung verurteilt hatte. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten hatte vor dem BGH Erfolg. Nach Auffassung der Karlsruher Richter wird die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten haben in rechtswidriger Bereicherung gehandelt, von den Feststellungen nicht getragen.
Der BGH führte insoweit zunächst aus, dass die Absicht des Täter, sich oder einen Dritten aus dem Vermögen des Genötigten zu Unrecht zu bereichern (§ 253 Abs. 1 StGB), sich inhaltlich mit der beim Betrug (§ 263 Abs. 1 StGB) vorausgesetzten Absicht, sich oder einem Dritten aus dem Vermögen des Getäuschten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, decke. Die erstrebte Vermögensverschiebung sei zu Unrecht erfolgt, sofern dem Täter kein materiell-rechtlicher Anspruch auf die geforderte Leistung zustünde. Die Beurteilung, ob dies der Fall sei, bestimme sich nach zivil- oder gegebenenfalls auch öffentlich-rechtlichen Maßstäben.
Nach den Urteilsfeststellungen verfolgten die Angeklagten mit ihren Handlungen das Ziel, den kokainsüchtigen und mit Betäubungsmitteln Handel reibenden Zeugen zur Rückzahlung von Darlehen in Höhe von 100,00€ bzw. 4.000,00 € zu bewegen. Dass diese sich aus der Hingabe eines Darlehens aus § 488 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 BGB ergebenden Rückzahlungsansprüche nichtig gewesen sind, lasse sich, nach Ansicht der Karlsruher Richter, jedoch nicht den Urteilsgründen entnehmen.
Nicht ersichtlich sei, dass die Hingabe des Geldes als solches gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen habe (§ 134 BGB). Auch ein Verstoß gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) liege nach den getroffenen Feststellungen nicht vor. Sittenwidrig können nach der Rechtsprechung Geschäfte sein, durch die Dritte gefährdet oder geschädigt werden oder die in krassem Widerspruch zum Gemeinwohl stehen. Dies setzte voraus, dass alle an dem Geschäft Beteiligten sittenwidrig handeln, also die Tatsachen, die die Sittenwidrigkeit begründen, kennen oder sich zumindest ihrer Kenntnis grob fahrlässig verschließen. Die Sittenwidrigkeit könne sich auch aus den Begleitumständen des Geschäfts, insbesondere den zugrunde liegenden Motiven und den verfolgten Zwecken ergeben. Danach können auch Rechtsgeschäfte, die der Vorbereitung einer Straftat dienen, bei Kenntnis der Beteiligten oder grob fahrlässiger Unkenntnis sittenwidrig sein.
Für die Annahme einer Sittenwidrigkeit im zugrunde liegenden Fall wäre die Feststellung, dass die Hingabe der Darlehen dem Zweck gedient habe, dem Zeugen den strafbaren Erwerb von Betäubungsmitteln zu finanzieren, erforderlich. Das Landgericht habe indessen weder ausdrücklich im Zusammenhang mit seiner Darlegung zu der Hingabe der Darlehen durch den Angeklagten getroffen noch lasse sich dies der rechtlichen Würdigung mit hinreichender Sicherheit entnehmen. Zwar habe die Strafkammer im Rahmen der rechtlichen Würdigung dargelegt, dass der Anspruch, den die Angeklagten durchsetzen wollten, nicht „als materiell berichtigt anerkannt“ sei, weil er seinen Ursprung im Drogenmillieu habe. Dies besage jedoch weder etwas über den eigentlichen Grund für die Darlehensgewährung noch über die der Darlehenshingabe zugrundeliegenden Motive. Daher seien die Voraussetzungen für die Annahme eines Verstoßes gegen die guten Sitten auch in subjektiver Hinsicht nicht dargetan.
Basierend auf den Urteilsfeststellungen sei, nach Ansicht des BGHs, nicht davon auszugehen, dass die Angeklagten in rechtswidriger Bereicherungsabsicht gehandelt haben. Der Schuldspruch sei daher aufzuheben.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht in Berlin-Kreuzberg