Der Rücktritt vom Versuch gemäß § 24 StGB
Besonders die Beurteilung, ob ein Rücktritt vom Versuch gemäß § 24 StGB vorliegt, kann bei der Frage, ob eine Versuchsstrafbarkeit gegeben ist, von wichtiger Bedeutung sein. Der § 24 StGB lautet wie folgt:
„(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern. (2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.“
Der Bundesgerichtshof (BGH) setzte sich in seinem Beschluss (3 StR 137/23) am 16. Mai 2023 mit der Frage auseinander, ob ein freiwilliger Rücktritt gemäß § 24 Abs. 1 StGB vorlag. Dem Beschluss lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Nach den vom Landgericht Oldenburg getroffenen Feststellungen versuchte der Angeklagte, einen Supermarkt zu verlassen, ohne Waren zu bezahlen, die er zuvor in seinen Rucksack verstaut hatte. Im Kassenbereich wurde er vom Ladendetektiv angesprochen. Um sich im Besitz der Beute zu halten und einer Festnahme zu entziehen, griff der Angeklagte diesen mit einem Messer an und verfehlte ihn mit einem schwungvoll geführten Stich lediglich deshalb, weil der Geschädigte zurückwich und danach auf Distanz zu dem Angeklagten blieb. Aufgrund dessen konnte der Angeklagte mit seiner Beute aus den Geschäftsräumen fliehen.
Das LG verurteilte den Angeklagten wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Die durch den Angeklagten gegen das Urteil eingelegte Revision hatte vor dem BGH teilweise Erfolg.
Nach Auffassung der Karlsruher Richter hält die Verurteilung wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das LG hatte angenommen, dass der Körperverletzungsversuch „bereits beendet und fehlgeschlagen, jedenfalls aber der Rücktritt hiervon nicht freiwillig“ gewesen sei. Diese Annahme des LG, so der BGH, sei jedoch rechtsfehlerhaft, da sie nicht von den Feststellungen getragen werde.
Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahestehenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann, ohne dass eine ganz neue Handlungs- und Kausalkette in Gang gesetzt werden muss, und der Täter dies erkenne, oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich halte. Hieran gemessen sei der Versuch nicht fehlgeschlagen und unbeendet, nachdem der Ladendetektiv vor dem Messerstich des Angeklagten zurückgewichen sei. Denn er sei, wenn auch distanzwahrend, in der Nähe des Angeklagten geblieben, so dass dieser ihm hätte nachsetzen und weiter auf ihn hätte einwirken können.
Zwar hätte der Angeklagte nach seinem Vorstellungsbild, auf das es insoweit ankomme, an die primär erstrebte Flucht mit der Beute nicht mehr verwirklichen können. Maßgeblich sei aber insoweit, dass er nach seiner Vorstellung, wenn auch unter Aufgabe seines eigentlichen Ziels, rein tatsächlich in der Lage gewesen wäre, den Detektiv weiter anzugreifen.
Schließlich betonte der BGH, dass der Angeklagte seinen Versuch, den Ladendetektiv zu verletzen, freiwillig im Sinne des § 24 Abs. 1 StGB aufgab; es handele sich um eine autonome Entscheidung, der ursprünglich beabsichtigten Flucht Vorrang zu geben. Der rechtlichen Beurteilung als freiwilliger Rücktritt vom Versuch widerspreche es nicht, dass der Angeklagte mit dem Angriff auf den Ladendetektiv den beabsichtigten Zweck, die Flucht mit der Beute, erreiche. Die „außertatbestandliche Zielerreichung“ und die damit verbundene, vom Täter erkannte Nutzlosigkeit der Tatfortsetzung führe weder zur Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs noch werde dadurch die Freiwilligkeit des Rücktritts ausgeschlossen.
Der Senat änderte den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 254 Abs. 1 StPO selbst ab. Der Schuldspruch habe keinen Bestand, weil trotz der an sich maßvollen Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten angesichts der konkreten Strafzumessungserwägungen nicht auszuschließen sei, dass das Tatgericht auf eine geringere Strafe erkannt hätte, wenn es den angeklagten lediglich wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls verurteilt hätte.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht in Berlin-Kreuzberg