Kategorie: Urteil- und Entscheidungsbesprechung

Das Münchhausen-Stellvertreter Syndrom: Vorgetäuschte Krankheiten der Kinder

Wer am Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom leidet und daher beispielsweise Krankheitssymptome bei einem Kind vortäuscht, kann sich wegen verschiedener Straftatbestände strafbar machen. Im Gegensatz zum Münchhausen-Syndrom, welches sich durch das absichtliche Erzeugen oder Vortäuschen von körperlichen oder psychischen Symptomen bei einem selber bemerkbar macht, wird dies beim Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom bei dritten Personen, meist bei Kindern, getan. Durch dieses Verhalten soll größtenteils eine Behandlung beim Arzt oder im Krankenhaus herbeigeführt werden, um sich anschließend als aufopfernder Elternteil darzustellen.  Unter dem Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom leidet auch die Angeklagte im Fall des Bundesgerichtshofes (4 StR 325/23) vom 19. Dezember 2023. Diese machte bei Ärzten falsche Angaben über ihre Kinder,...

Legitime Verteidigungsstrategie oder üble Nachrede? – Wenn der Strafverteidiger zum Angeklagten wird

Wem die Begehung einer Straftat vorgeworfen wird, weil er beispielsweise eine Vorladung als Beschuldigter oder sogar bereits eine Anklageschrift erhalten hat, hat in Deutschland gemäß § 137 StPO das Recht, sich in jeder Lage des Verfahrens der Hilfe eines Rechtsanwaltes als Verteidiger zu bedienen. Die Aufgabe des Strafverteidigers ist es sodann, seinen Mandanten bestmöglich zu beraten und ihn im Rahmen des Strafverfahrens effektiv zu verteidigen, wobei er hinsichtlich der Wahl der Verteidigungsstrategie grundsätzlich frei ist. Aus seiner Funktion als sog. „Organ der Rechtspflege“ (§ 1 BRAO) folgt jedoch auch, dass sich ein Strafverteidiger nur der prozessual erlaubten Mittel bedienen darf....

Fluchtfahrt vor der Polizei – Kann auch nach § 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB bestraft werden?

Die Klausurvorbereitung im Strafrecht stellt Jurastudierende immer wieder vor Herausforderungen. Ein Tatbestand, der bei der Vorbereitung auf eine Strafrechtsklausur nicht außer Acht gelassen werden sollte, ist der § 315b StGB, der die gefährlichen Eingriffe in den Straßenverkehr regelt. Nicht selten ist er Gegenstand von Prüfungen und Fallbearbeitungen, sodass nun die wesentlichen Aspekte des § 315b StGB näher beleuchtet werden sollen. Die Norm stellt ein konkretes Gefährdungsdelikt dar, weshalb eine abstrakte Gefährdung für eine Strafbarkeit nach § 315b StGB nicht ausreicht. Bestraft wird nach Abs. 1, wer die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder...

Anforderungen an das Wissenselement bei einer Sachbeschädigung von „Klimaaktivisten“

Wer sich bei Begehung der Tat (§ 16 StGB) keine Gedanken über den Beseitigungsaufwand gemacht hat, dem fehlt das zum Vorsatz erforderliche Wissenselement.  Feststellungen im Urteil dazu sind nur entbehrlich, wenn der Tatvorsatz aufgrund des Substanzverletzungsumfangs oder der Funktionsbeeinträchtigung eindeutig ist. Zum Sachverhalt Die Angeklagte entfernte als Mitglied der „Letzten Generation“ am 22. Juni 2022 mit weiteren Mittätern vor dem Bundeskanzleramt eine dort verlegte Gehwegplatte und legte sie auf einen Rasenbereich neben der ursprünglichen Position. Dabei hat sich die Angeklagte keine Gedanken darüber gemacht, welcher Aufwand mit der Wiedereinsetzung der Platte verbunden ist. Das Amtsgericht hatte die Angeklagte wegen gemeinschädlicher...

Wann wird ein Pflichtverteidiger beigeordnet und wie kann dieser gewechselt werden: Zerstörung des Vertrauensverhältnisses

Für eine angemessene Verteidigung vor Gericht ist ein Anwalt von großer Bedeutung. In einigen Fällen wird dem Beschuldigten sogar ein sogenannter Pflichtverteidiger beigeordnet. Das ist in Fällen der notwendigen Verteidigung der Fall, in denen der Beschuldigte selber noch keinen selbst gewählten Verteidiger bei der Seite hat. Die Fälle der notwendigen Verteidigung sind im § 140 Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Der Fall der notwendigen Verteidigung tritt demnach unter anderem ein, wenn dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird oder wenn zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet. Bevor dem Beschuldigten...

15 Jahre für Totschlag, Vergewaltigung und Störung der Totenruhe

Bei der Begehung mehrerer Straftaten wird nach § 54 Strafgesetzbuch (StGB) eine Gesamtstrafe gebildet. Wenn eine Einzelstrafe eine lebenslange Freiheitsstrafe ist, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt (Abs. 1 S. 1). In den anderen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet (Abs. 1 S. 2). Nach Abs. 2 darf die Gesamtstrafe bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre nicht überschreiten. Ob die Festlegung der Gesamtstrafe auf 15 Jahre im vorliegenden Fall rechtsfehlerhaft ist, musste der Bundesgerichtshof (3 StR 466/23) in seinem Beschluss vom 20....

Volksverhetzende Inhalte in Chatgruppen

Memes und WhatsApp-Sticker oder Telegram-Sticker erfüllen zum Teil die Funktion von Emojis und sind kleine Bilder, die versendet werden, um verschiedene Emotionen oder Aussagen wiederzugeben. Das Versenden ist simpel und erfolgt wie das Versenden einer Nachricht; mit nur wenigen Bildschirmberührungen wird die Nachricht in Form eines Stickers versendet. Memes oder Sticker können sogar in dem Messenger Dienst gesammelt werden, indem man sie hinzufügt, um sie in der Zukunft weiter versenden zu können.  Beachten sollte man allerdings, dass bestimmte Sticker nicht verbreitet werden dürfen. § 86 StGB und §  86a StGB stellen das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen unter...