§ 185 StGB – Angriff auf die sexuelle Selbstbestimmung eine Beleidigung?

Im Rahmen eines Angriffs auf die sexuelle Selbstbestimmung kommen neben den einschlägigen Sexualdelikten häufig auch Körperverletzungsdelikte oder Angriffe auf die persönliche Freiheit des Opfers infrage. Ein Delikt welches seltener mit einem Angriff auf die sexuelle Selbstbestimmung in Verbindung gebracht wird ist eine Beleidigung gemäß § 185 StGB. Gerade eine solche kann unter gewissen Umständen jedoch in einem entsprechenden Angriff zu sehen sein.

So widerfuhr es dem Angeklagten im Beschluss des Bundesgerichthofs vom 22. November 2006 (2 StR 382/06). Dieser wurde vom Landgericht infolge der Vornahme sexueller Handlungen am Opfer wegen Körperverletzung und Beleidigung verurteilt.

Der Angeklagt führte gegen den Willen der Geschädigten Geschlechtsverkehr mit dieser aus. Er stellte sich hinter sie, fasste ihr unter der Bekleidung an die Brust und zog ihr Jeans und Schlüpfer herunter. Die Geschädigte war dadurch völlig überrascht, versuchte, die Hose festzuhalten, „hatte aber irgendwie nicht die Kraft dafür“. Während der Angeklagte sie umfasste und den Geschlechtsverkehr ungeschützt von hinten ausführte, versuchte sie mehrfach, ihn durch Rückwärtsbewegungen ihrer angewinkelten Arme von sich wegzuschieben, was der Angeklagte auch registrierte. 

Der BGH kritisierte die Verurteilung des Angeklagten durch das Landgerichts wegen Beleidigung dahingehend, dass das Landgericht in seiner rechtlichen Würdigung nicht dargetan habe, aus welchen Umständen des Geschehens der Schluss zu ziehen ist, der Angeklagte habe durch die Tat zum Ausdruck gebracht, die Geschädigte sei mit einem Makel behaftet, der ihren Geltungswert mindere. 

Im Zuge dessen führte der BGH aus, unter welchen Umständen ein Angriff auf die sexuelle Selbstbestimmung den Tatbestand des § 185 StGB verwirklichen kann.

Der Tatbestand des § 185 StGB ist nur dann erfüllt, wenn der Täter durch sein Verhalten (die sexuelle Handlung) zum Ausdruck bringt, der Betroffene weise einen seine Ehre mindernden Mangel auf. Eine solche Kundgabe ist in der sexuellen Handlung allein regelmäßig nicht zu sehen und erfüllt deshalb auch nicht den Tatbestand des § 185 StGB. Ein Angriff auf die sexuelle Selbstbestimmung erfüllt nur dann den Tatbestand der Beleidigung, wenn nach den gesamten Umständen in dem Verhalten des Täters zugleich eine – von ihm gewollte – herabsetzende Bewertung des Opfers zu sehen ist 

Der vorliegende Beschluss ist obwohl er vor der 2016 erfolgten Reform des Sexualstrafrechts erging auch auf gegenwärtige Fälle von Angriffen auf die sexuelle Selbstbestimmung mit herabsetztendem Zweck anwendbar. Der BGH verdeutlicht, dass eine Beleidigung nicht zwangsweise eine verbale Missbilligung des Opfers voraussetzt, sondern dass hierfür auch non-verbale Akte wie ein Angriff auf die sexuelle Selbstbestimmung ausreichen. Entscheidend ist jedoch, dass der Angriff objektiv zur Kundgabe einer Missbilligung des Opfers geeignet ist und dass dies subjektiv vom Täter gerade bezweckt wurde.

Rechtsanwalt Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht Berlin

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