Unschuldig aber trotzdem verurteilt – Ausnahme oder Alltag?

Wahrscheinlich werden viele von uns denken, dass so etwas nur in Filmen passiert. Warum sollte jemand verurteilt werden, wenn er unschuldig ist? Ein fachkundiges Gericht hat den Sachverhalt doch geprüft. Ohne Beweismittel wird man doch nicht verurteilt, oder?

Die Realität sieht meines Erachtens leider anders aus. Richter sind auch nur Menschen, sie unterliegen den selben Fehlern wie der Rest der Welt. Sitzt erst einmal eine Person vor dem Richter, sind die Polizei und die Staatsanwaltschaft bereits zu dem Ergebnis gekommen, dass sich eine Person strafbar gemacht hat. Wenn dann die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt, wird schon etwas am Tatvorwurf dran sein.

In Amerika gibt es die Organisation Innocence Project. Diese hat sich zur Aufgabe gemacht, DNA Täterspuren aus abgeschlossenen Gerichtsverfahren auszuwerten (sogenannte post-conviction DNA exonerations). In den eigentlichen Gerichtsverfahren konnten diese aufgrund der damaligen technischen Möglichkeiten nicht überprüft werden. Seit dem Jahr 2000 wurden in 184 Fällen festgestellt, dass die Justiz den Falschen verurteilt hat. DNA Spuren belegen, dass z.B. die aufgefundenen Spermaspuren nicht zum Verurteilten gehören. Die angeblichen Täter saßen häufig bereits viele Jahre im Gefängnis, einige in der Todeszelle.

Nach meinem Erkenntnisstand wurden bisher noch keine DNA Überprüfungen in Fällen vorgenommen, in welchen die vermeintlichen Täter bereits staatlich angeordnet, hingerichtet worden sind.

Der häufigste Grund für Fehlurteile sind die Angaben von Augenzeugen. Hat man einen Zeugen der angibt, dass es sich beim Beschuldigten um den Täter handelt, sollte sich der Beschuldigte ernsthaft Sorgen machen.

Obwohl psychologische Untersuchungen in diesem Bereich zeigen, dass es verschiedenste Ursachen gibt, warum ein Zeuge fehlerhaft einen Täter vermeintlich identifiziert, geben Gerichte gerne im Urteil an, dass es keinen Grund gibt, warum der Augenzeuge sich geirrt haben könnte.

Es gibt Untersuchungen, die belegen, dass angeblich geschultes Personal, wie z.B. Richter, genauso schlecht oder genauso gut in der Lage sind, eine Lügengeschichte zu erkennen. Neben einer bewussten Lüge kann darüber hinaus die fehlerhafte Aussage eines Zeugens auf verschiedensten Ursachen beruhen.

Die Rechtsanwendung und die psychologische Forschung klaffen hier wirklich weit auseinander.

Zum Glück bin ich kein Richter! Mit der Schuld, einen Menschen zu Unrecht ins Gefängnis gesteckt zu haben, möchte ich nicht leben müssen.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Berlin

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5 Antworten

  1. Karin Knauer sagt:

    Leider habe ich das bei mir selbst erlebt. Doch du bist bei der Justiz nur ein Fall, menschlich nicht interessant

  2. Alexandra sagt:

    da ich selbst Jura studiere war ich uberzeugt (am Anfang) dass es Gerechtigkeit gibt. Schuldige werden verurteilt und Unschuldige „freigelassen“. In der Praxis sieht es irgendwie ganz anders aus. Bei einem Bekannten musste ich mitansehen wie er zur Geldstrafe verurteilt war wegen 3fachen Körperverletzung an seiner Exfrau! Obwohl das gar nicht der Fall ist. In ersten Instanz wollte man die Sache abschließen wegen geringfüfiger Schuld und der Angeglagte sollte lediglich 250 Euro zahlen.(aber damit auch gleichzeitig die Schuld zu gestehen).
    In zweiter Instanz hat man den zu 5000 Euro verurteilt und schuldig gesprochen, OBWOHL es gegenbeweise gibt.
    Sie haben einfach der Frau geglaubt, aber dass sie Ihre Ziele dadurch verfolgte(die der Anwalt auch dargelegt hat) wurden einfach ignoriert……

    Ich bin ehrlich gesagt empört. Der Mensch versucht sich zu verteidigen, ruft Zeugen,legt Beweise vor, die einfach nicht angehört werden, ignoriert werden…fragt sich nur warum?
    Schnell die Sache abschließen zu wollen, oder Geld kassieren? 5000 ist eine „schöne“ Summe…..

    bin enttäuscht von unserer „Rechtsprechung“.
    Jetzt verstehe ich auch was die Aussagen bedeutet: Recht haben und Recht bekommen sind zwei ganz unterschiedliche Sachen.

  3. Robin Hood sagt:

    Unschludige werden veruteilt wenn :

    1.) Staatsanwälte sich am Verbrechen beteiligen oder es
    sogar anstiften.

    2.) wenn der §258a StGB durch Staatsanwälte voll erfüllt
    ist.

    3.) der Richter sich einen Scheiss um seinen Eid §38DRiG in
    Verbidung mit Art 103GG kümmert.

  4. Helmut Karsten sagt:

    Danke! In Amerika gibt es für jede amtliche Stelle, besonders aber für Polizei, Staatsanwaltschaft und Richter, das „internal-affairs-department. Trotzdem gibt es „Unfälle“. Diese beziehen sich aber, und das muss in Relation gesetzt werden, auf 300 Mio (plus,plus) Menschen!
    So schlecht, wie uns antiamerikanische Propaganda das Glauben machen will, ist die U.S.-Justiz garnicht. Mein Fall wäre dort undenkbar!
    Dass meine ‚Tat‘ durch den Erlaubnisgrundsatz (Notwehr)gedeckt war stand bereits beim Haftrichter fest. Kommentare LEIPZIGER „Notwehr“ Rn. 289, 290. Verbal wurde der Haftbefehl durch „Schutzhaft“ vom Haftrichter Dr. Popp, begründet!
    Fortan wurden alle gerichtsmedizinischen Beweise meinet tatgegenständlicher Wehrlosigkeit bis nach meiner Verurteilung versteckt. Weitere Untersuchungen wurden verweigert! Durch Straf- und Zivilverfahren wurde der Tatortaugenschein und die Zentralregisterauszüge meines Kontrahenten verweigert und unterschlagen. So einfach ist das. Und wo ist die Anwaltschaft ??? Ich darf nur hoffen, dass das jedem einzelnen der Anwälte mal passiert, die jetzt zwar sagen „das ist rechtlich unmöglich“ aber meinen Fall ignorieren………

  5. Damenschuhe sagt:

    This is one great post, excellent thoughts well made. Save and bookmarked!

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