Zum Tatbestandsmerkmal des Sichbemächtigens einer Person gemäß § 239a Abs. 1 Alt. 1 StGB in einer Zwei-Personen-Konstellation

Dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 29. Juni 2022 (3 StR 501/21) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Dem Angeklagten und zwei Mittätern wurde mit der Anklageschrift zur Last gelegt, die beiden in ihrem Wohnhaus in verschiedenen Zimmern schlafenden Geschädigten zu überwältigen und unter Vorhalt von Waffen zu bedrohen, um auf diesem Wege Informationen über etwaige Verstecke von Geld und Wertsachen zu erhalten. In Umsetzung dieses Plans zerrten sie die Geschädigten nebeneinander auf ein Bett und ließen die Jalousie herunter. Anschließend befragten sie die unter Todesangst leidenden Geschädigten unter Vorhalt einer scharf geladenen Pistole und eines Messers über einen Zeitraum von etwa zwanzig...

Mit Alkohol am Steuer erwischt – Gericht schenkt Schnapspralinen-Ausrede keinen Glauben

Alkohol am Steuer kann schwerwiegende rechtliche Konsequenzen haben. Nach § 316 StGB (Trunkenheit im Verkehr) macht sich strafbar, wer im Verkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er aufgrund von Alkohol- oder Drogeneinfluss nicht mehr fahrtüchtig ist. Die Folge kann eine Geldstrafe oder sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr sein, zudem droht der Entzug der Fahrerlaubnis. Angeklagte, die alkoholisiert am Steuer erwischt worden sind, versuchen daher nicht selten, ihre Trunkenheit mit kuriosen Ausreden zu rechtfertigen. So auch in einem Fall, den das Amtsgericht Frankfurt am Main in seinem Urteil vom 29. August 2024 (907 Cs 515 Js 19563/24) beschäftigte. Es...

Beispiel zur Relevanz des Konsumcannabisgesetzes in einer Revision

Das am 1. April 2024 in Kraft getretene Konsumcannabisgesetz (KCanG) wirkt teilweise milder als das Betäubungsmittelgesetz. Zum Sachverhalt Am 21. März 2024 hatte das Landgericht Hagen den Angeklagten K wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die weiteren Angeklagten wurden jeweils wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Die Angeklagten legten Revision ein. Zum Beschluss des BGH vom 19. November 2024 – 4 StR 305/24 Die Tathandlungen der Angeklagten standen im Zusammenhang mit Marihuana. Mithin musste durch den Senat das am 1. April 2024 in...

„Verwirrende Beschilderung“? – Gericht weist Argument eines Verkehrsrasers zurück

Wer zu schnell fährt und geblitzt wird, sucht oft nach einem guten Grund, um das Bußgeld und möglicherweise Punkte in Flensburg oder gar ein Fahrverbot abzuwenden. Ein beliebtes Argument: Die Beschilderung sei unklar gewesen. Zwar kann eine solche Argumentation durchaus Erfolg haben, allerdings ist Vorsicht geboten. Dies zeigt auch der Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main vom 20. Januar 2025 (Az. 2 Orbs 4/25). Dort ging es um einen Mann, der mit 146 km/h auf der A7 Richtung Kassel durch einen Abschnitt fuhr, auf dem aufgrund einer Lkw-Kontrolle temporär eine Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h galt und für den ein...

Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer gemäß § 316a StGB

Der Tatbestand des räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer gemäß § 316a Strafgesetzbuch (StGB) beschäftigt sowohl Praktiker als auch Studierende regelmäßig. Wegen des räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer gemäß § 316a StGB wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft, wer zur Begehung eines Raubes (§§ 249 oder 250) eines räuberischen Diebstahls (§ 252) oder einer räuberischen Erpressung (§ 255) einen Angriff auf Leib oder Leben oder die Entschlußfreiheit des Führers eines Kraftfahrzeugs oder eines Mitfahrers verübt und dabei die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausnutzt. Mit dem folgenden Fall setzte sich der Bundesgerichtshof am 07. Juli 2022 (4 StR 508/21) auseinander: Den Angeklagten...

(Keine) Einbeziehung bei Verurteilung wegen Tatbegehung als Jugendlicher; §§ 32, 105 Abs. 2 JGG

Wenn der Angeklagte wegen einer Tat, welche er als Jugendlicher begangen hat, ist eine Verurteilung nach allgemeinen Strafrecht wegen einer als Heranwachsender begangenen Tat in entsprechender Anwendung der §§ 32, 105 Abs. 2 JGG nicht möglich. Zum Sachverhalt Der Angeklagte Y wurde durch das Landgericht Schwerin wegen Raubes u.a. zu einer einheitlichen Jugendstrafe verurteilt. Y hat die Tat am 01. Januar 2020 als Jugendlicher i.S.v. § 1 Abs. 2 JGG begangen.   Beschluss des BGH vom 03.04.2024 – 6 StR 13/24 (LG Schwerin) Die Revision des Angeklagten verzeichnete teils Erfolg. Das Landgericht hat zwar zutreffend Jugendstrafrecht angewendet. Jedoch ist rechtlich bedenklich,...

Darf die Polizei den Finger eines Beschuldigten zwangsweise auf den Sensor seines Smartphones legen, um es zu entsperren?

Der vermehrte Einsatz biometrischer Authentifizierung auf Smartphones wirft neue rechtliche Fragen auf. Eine davon betrifft die Zulässigkeit der zwangsweisen Entsperrung eines Mobiltelefons durch Auflegen des Fingers eines Beschuldigten auf den Fingerabdrucksensor. Es handelt sich um ein rechtlich heikles Thema, mit dem sich bislang nur Amts- und Landgerichte auseinandergesetzt haben. Nunmehr hat auch ein Oberlandesgericht (OLG) – das OLG Bremen – hierzu am 8. Januar 2025 (Az. 1 ORs 26/24) Stellung bezogen.   Es ging um einen Mann, der verdächtigt wurde, kinderpornographische Schriften verbreitet zu haben (§ 184b Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB)). Als die Polizeibeamten im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung das Smartphone...