Nacktfotos

Hansi und Bibi sind glücklich verliebt. Weil die beiden so glücklich verliebt sind, holt der Hansi eines Abends vor dem Schlafengehen plötzlich die Spiegelreflexkamera heraus, die er von der Bibi vom Weihnachtsmann zu Weihnachten geschenkt bekommen hat, um ein paar scharfe Fotos von den scharfen Bibi zu knipsen.

Die Bibi macht sich für den Hansi und die Kamera nackig und rekelt sich, wie sie das aus den Lieblingssendungen des Hansi kennt. Schließlich entstehen ein paar „absolut ästhetische“ Nacktaufnahmen von der Bibi.

Das Glück von Hansi und Bibi hält aber nicht lang. Hansi hat nämlich auch noch mehr scharfe Fotos gemacht, auf denen die Bibi gar nicht drauf ist. Hansi muss ausziehen, die Fotos samt Negativen vergisst er aber bei der Bibi.

Eines Tages braucht Bibi dringend Geld. Sie schickt daher ihre ästhetischen Fotos an den Playboy, der diese auch tatsächlich auf einer der hinteren Seiten druckt.

Frage:
Darf die das? (unjuristisch) bzw.
Strafbarkeit der B? (vermeintlich juristisch)

Bibi könnte sich, indem sie die „eigenen“ Nackfotos an den Playboy geschickt hat, gemäß § 106 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG) ( strafbar gemacht haben.

Das verwundert natürlich zunächst. Immerhin wollte sie ja selbst, dass jeder die nackige Bibi am Kiosk kaufen kann. Wichtig ist aber, dass das UrhG nicht etwa Persönlichkeitsrechte strafrechtlich schützt, sondern „nur“ wirtschaftliche (Verwertungs-)Rechte.

Und es könnte sein, dass der Hansi ein Recht an den Bildern von der Bibi hat, weil er die Kamera bedient hat.

§ 106 Abs. 1 UrhG lautet so:

Wer in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ohne Einwilligung des Berechtigten ein Werk oder eine Bearbeitung oder Umgestaltung eines Werkes vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Gefordert wird ein Werk iSd § 106 Abs. 1 UrhG. Was das ist, sagt der § 2 UrhG.

Dort findet man in der längeren Liste unter Punt 5

5. Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen werden.

Jetzt sind die Bilder des Hansi sicher nicht schlecht, aber unter Lichtbildwerken versteht man eher die gesellschaftlich anerkannten Schmuddelbildchen eines Helmut Newton als die Fotos aus dem Schlafzimmer von Hansi und Bibi.

Das macht aber zunächst gar nichts. Schließlich sagt § 72 UrhG

Lichtbilder und Erzeugnisse, die ähnlich wie Lichtbilder hergestellt werden, werden in entsprechender Anwendung der für Lichtbildwerke geltenden Vorschriften des Teils 1 geschützt.

Fotos sind Lichtbilder -> Lichtbilder werden wie Lichtbildwerke geschützt -> Lichtbildwerke werden durch § 106 Abs. 1 UrhG geschützt -> Fotos werden von § 106 Abs. 1 UrhG geschützt?

Nein.

Die Kette „Lichtbilder werden wie Lichtbildwerke geschützt“ gilt nur im Zivilrecht. Strafrechtlich müssen wir auf § 108 I Nr. 3 ausweichen, der stellt nämlich bestimmte unerlaubte Eingriffe in verwandte Schutzrechte unter Strafe. Das kann immer dann relevant sein, wenn nicht schon eine Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe eines Werkes im Sinne dese § 2 UrhG vorliegt.

Bibi könnte sich, indem sie das Foto an den Playboy geschickt hat, wegen unerlaubten Eingriffes in verwandte Schutzrechte gemäß § 108 I Nr. 3 strafbar gemacht haben.

Wer in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ohne Einwilligung des Berechtigten

3. ein Lichtbild (§ 72 -> hier ist sogar der Verweis!) … vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergibt

wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Das hat die Bibi zweifellos gemacht. Sie hat das Foto ohne Einwilligung des Hansi an den Playboy geschickt.

Rechtswidrigkeit und Schuld sind auch problemlos.

Bibi hat sich also wegen unerlaubten Eingriffes in verwandte Schutzrechte strafbar gemacht.

Ein paar Zusatzinfos:
§§ 106 und 108 UrhG haben den gleichen Strafrahmen, nämlich Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe
– der Versuch ist jeweils strafbar, § 106 Abs. 2 bzw. § 108 Abs. 2 UrhG
– Beides sind relative Antragsdelikte, § 109 UrhG. Sie werden also grundsätzlich nur verfolgt, wenn der Geschädigte (hier der Hansi) einen Strafantrag stellt, es sei denn, es besteht ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung, hier: (-)

Was merken wir uns? Immer vorher beim Fotografen nachfragen, bevor wir dessen Fotos veröffentlichen. Auch wenn es nur ein Hobbyknipser ist.

Abwandlung: Wie wäre es, wenn nicht die Bibi, sondern der Hansi die Fotos an den Playboy geschickt hätte? Lösungen als Kommentar posten! Es soll zu eurem Schaden nicht sein.

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4 Antworten

  1. Tim sagt:

    Lustige Geschichte, bei der Diskussion im Seminar sind wir über eine Frage gestolpert, bei der wir uneinig sind.
    Hat sich der Playboy wegen Beihilfe auch rechtswidrig verhalten, wenn er sich die Rechte am Bild nicht hat übertragen lassen?

  2. Simon sagt:

    § 60 Abs. 1 UrhG:

    „Zulässig ist die Vervielfältigung sowie die unentgeltliche und nicht zu gewerblichen Zwecken vorgenommene Verbreitung eines Bildnisses durch den Besteller des Bildnisses oder seinen Rechtsnachfolger oder bei einem auf Bestellung geschaffenen Bildnis durch den Abgebildeten oder nach dessen Tod durch seine Angehörigen oder durch einen im Auftrag einer dieser Personen handelnden Dritten. Handelt es sich bei dem Bildnis um ein Werk der bildenden Künste, so ist die Verwertung nur durch Lichtbild zulässig.“

    Hier nicht einschlägig, aber naheliegend.

    Ich finde, in solchen entfernten Gefilden des Nebenstrafrechts kann man immer auch über den unvermeidbaren Verbotsirrtum nachdenken. Wer weiß schon, dass so etwas nicht nur verboten, sondern auch strafbar ist?

  3. Anno sagt:

    Ohne Jurist zu sein, §22 KunstUrhG verbietet das.
    Wie gut das ich schon eine kleine Diskussion darüber mit jemanden hatte… (nicht wirklich ernst).

  4. Tim sagt:

    …Dann hätte Hansi die Persönlichkeitsrechte von Bibi verletzt, was natürlich auch strafbar ist.

    Es müssen also beide mit der Veröfentlichung einverstanden sein.

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