Besonders schwerer Raub in Tateinheit mit Körperverletzung; und „unerlaubter“ Erwerb von Betäubungsmitteln
Der Bundesgerichtshof (BGH) setzte sich in seinem Beschluss (4 StR 95/24) vom 21. Mai 2024 mit folgendem Sachverhalt auseinander:
Nach den Feststellungen des Landgerichts Bielefeld erhielt der Angeklagte am 17. Januar 2023 von einer unbekannten Person 13,16 Gramm Marihuana zum Eigenkonsum.
Am 2. April 2023 soll der Angeklagte zudem dem Geschädigten auf einem Elektroroller aufgelauert haben und ihm einen schmerzhaften Faustschlag ins Gesicht versetzt haben. Unmittelbar nach dem Faustschlag entriss der Angeklagte dem zu Boden gestürzten Geschädigten dessen mitgeführten Rucksack und nahm das darin befindliche Bargeld, die Ausweispapiere sowie die Bankkarten an sich. Zudem entnahm er dem Geschädigten dessen Mobiltelefon aus der Tasche. Anschließend drohte der Angeklagte dem Geschädigten unter Vorhalt eines funktionsfähigen Elektroimpulsgeräts, dass dieser „ein Loch im Kopf habe, wenn er zur Polizei gehen werde“. Schließlich verließ der Angeklagte mit den entwendeten Gegenständen den Tatort.
Das Landgericht Bielefeld verurteilte den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung, besonders schwerer räuberischer Erpressung und wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten. Die Revision des Angeklagten hatte vor dem BGH zum Teil Erfolg.
Der BGH führte in seinem Beschluss zunächst aus, dass das am 1. April 2024 in Kraft getretene Konsumcannabisgesetz (KCanG) und die entsprechende Änderung des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) dazu führten, dass der Umgang mit Cannabis nicht mehr dem BtMG, sondern nur noch dem KCanG unterliegt. Dieses sieht vor, dass der Umgang mit Cannabis in geringerem Umfang als bisher unter Strafe gestellt wird und Verstöße milder bestraft werden als unter dem BtMG.
Demnach sei gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG der nach § 2 Abs. 1 Nr. 12 KCanG verbotene Erwerb von Cannabis nur noch strafbar, wenn ein Tageslimit von 25 Gramm überschritten oder mehr als 50 Gramm Cannabis pro Kalendermonat erworben werde. Diese Maßregelungen gelten laut Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 13) auch dann, wenn der Erwerb auf dem Schwarzmarkt erfolge. Im vorliegenden Fall hatte der Angeklagte jedoch lediglich 13,16 Gramm Cannabis erworben, wodurch die Grenze zur strafbewehrten Menge nicht erreicht wurde; demzufolge entfalle eine Strafbarkeit hinsichtlich dieses Anklagepunkts.
Ferner wird der Schuldspruch wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung gem. §§ 249, 250 Abs. 2 Nr. 1, 223 Abs. 1, 52 StGB laut den Karlsruher Richtern aufgehoben. In ihrem Urteil führen sie diesbezüglich aus, dass der Qualifikationstatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB nur erfüllt sei, wenn das mitgeführte gefährliche Tatmittel tatsächlich als raubspezifisches Nötigungsmittel eingesetzt wird. Ausreichend sei zumindest der Einsatz zur Sicherung der Beute in Beutesicherungsabsicht.
Vorliegend sei jedoch nicht darauf zu schließen, dass der Einsatz des Elektroimpulsgeräts der Beutesicherung diente; der Angeklagte habe die Beute nämlich bereits an sich genommen, und der Geschädigte versuchte nicht, sie ihm wieder streitig zu machen. Laut den Karlsruher Richtern diente die ausgesprochene Drohung durch den Angeklagten unter Verwendung des Elektroimpulsgeräts vielmehr dazu, den Geschädigten von einer Strafverfolgung abzuhalten.
Abschließend führt der Wegfall der verhängten Einzelstrafen – des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln und des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung – dazu, dass dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage entfällt.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht in Berlin-Kreuzberg